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Die unsichtbare Knopf-Arbeit

Agronomin, Bauerntochter und Coach Barbara Eiselen gibt in ihrem Erfahrungsbericht Antworten auf die Fragen: Wie geht Frauen-Emanzipation in der Landwirtschaft? Und wo bleibt die Rolle der Männer?

Zum Muttertag bekam ich von meiner Tochter einen Spruch geschenkt: «Mütter sind wie Knöpfe, sie halten alles zusammen». Und da möchte ich gerne einen Spruch für Männer hinzudichten: «Männer/Väter sind diejenigen, die das ganze Kleid nähen».

Und so beginnt dieser Erfahrungsbericht mit einem Stereotypen. Ich mag eigentlich keine Stereotypen, aber unter diesem liegt aus meiner Sicht eine tief wahre Ursache, auf die ich eingehen möchte.

«Ist die Frau etwas faul?»

Kennen Sie vielleicht das Beispiel, dass die Frau am Handy rumhängt, sich in den sozialen Medien rumtummelt oder sonst etwas Unnützes an ihrem Gerät tut? Während sich der Mann mit der täglichen Arbeit auf dem Hof rumschlägt und versucht wirtschaftlich erfolgreich zu sein.

Vielleicht denken Sie auch, dass diese Frau etwas faul ist und sie es doch so schön hat, während die anderen hart arbeiten?

Nicht selten oder sogar sehr häufig sind solche «Kleinigkeiten» Ursache von riesigen Konflikten, sogar von Trennungen und wirtschaftlich sehr schwierigen Situationen.

«Weibliche Arbeiten» sind oft unsichtbar 

Nun möchte ich eine Ursache im Rollenbild von Mann und Frau beleuchten. Bleiben wir beim Beispiel des genähten Kleides mit einem sehr schönen Knopf, der alles zusammenhält und vielleicht noch mit einer unsichtbaren praktischen Innentasche, die ebenfalls zur weiblichen Rolle gehört.

Heutzutage, und das beobachten wir tatsächlich auch an vielen industriell hergestellten Gegenständen, ist einfach das Kleid wichtig. Das ist das Sichtbare und Nützliche. Den teuren Knopf können wir gut weglassen, ihn mit einer billigen Naht ersetzen und die Innentasche ist auch Überfluss. Das Kleid erfüllt trotzdem seinen Zweck, auch wenn es etwas weniger schön aussieht und etwas weniger praktisch ist.

Über die Person

Barbara Eiselen ist Agronomin und war viele Jahre in der landwirtschaftlichen Lehre und Forschung in den Bereichen Betriebswirtschaft, Agrarpolitik und -märkte tätig. In ihrer beruflichen Laufbahn erkannte sie, dass es sich bei Hofstrategien und betriebswirtschaftlichen Fragestellungen meistens um tieferliegende Themen handelt.

Barbara Eiselen bildete sich fort in den Bereichen Coaching, Psychologie und Familiensysteme und ist heute selbstständige Beraterin. Sie hat die Vision, die Hemmschwelle für Tabu-Themen in der Landwirtschaft zu brechen, so dass man sich frühzeitig Hilfe für die wahren Probleme holen darf.

Sie nennt es «den Service für die Seele, die Psyche und die Ehe, genauso wie der Traktor auch seinen jährlichen Service bekommt». Eiselen ist Bauerntochter und Schwiegertochter einer Bauernfamilie.

Wohinaus möchte ich mit diesem Beispiel? Und was hat das mit dem Handy und dem Nichts-tun der Frau zu tun? Es ist ein gesellschaftliches Phänomen, dass «weibliche» Arbeiten oft unsichtbar sind. Dass die Frau am Handy noch drei Termine – für ihren Mann und die Kinder – organisiert hat, sie ein Anmeldeformular für eine Schulreise eines ihrer Kinder angeschaut, vielleicht ein Kalb im TVD gemeldet, ein Inserat für einen möglichen Mitarbeiter gesehen, ein Rezept fürs Mittagessen herausgesucht und sie vorher die Kinder geweckt, für alle das Frühstück vorbereitet und auch noch eine Wäsche in die Maschine getan hat… ist von Aussen betrachtet nicht erkennbar. Und nun ist sie in die sozialen Medien gelangt.

Für Null Franken

All die oben aufgezählten Arbeiten sind fast unsichtbare «Knopf»-Arbeiten. Sie sind wichtig, aber sie werfen kein Einkommen ab. Null Franken. Und doch ist dieser Knopf irgendwie zentral, oder nicht? Gerade das Bereitstellen des Mittagessens ist in einem Bauernhaushalt fürs gute Funktionieren der täglichen Arbeit so wichtig.

Eine Kantine ist für ein Betrieb in der übrigen Wirtschaft ja auch etwas sehr Wichtiges. Aber sogar Frauen meinen oft selbst von sich - und das erlebe ich in den Coachings immer wieder - dass ihre Arbeiten doch selbstverständliche Tätigkeiten sind. Und da liegt ein grosser Hund begraben: weil sogar die Frauen diese «unsichtbaren» Arbeiten als selbstverständlich betrachten, wertschätzen sie sie nicht wirklich. Weder sie noch die anderen. Und dann ist es so, dass sie von morgens bis abends selbstverständlich arbeiten. Für Null Franken. Für keine Wertschätzung. Ausser, sie gehen auswärts arbeiten. Da bekommen sie Einkommen und Wertschätzung für Arbeiten, die aber dann oft keine «Knopf»-Arbeiten sind, sondern wo sie eben eher Kleider nähen.

Es ist diese Selbstverständlichkeit, die auslaugt und erschöpft, so dass sie dann am Handy rumhängen und gar nicht mehr wissen was sie schon alles gemacht haben und warum sie überhaupt aufgestanden sind. Als Mutter, Partnerin und berufstätige Frau war ich selbst davon betroffen und habe Vieles gelernt.

So kompliziert!

Was hat nun das Kleid samt Knopf mit dem Stereotyp Mann/Frau zu tun? Weibliche Arbeiten sind oft «unsichtbare» Arbeiten, werfen in unserer Gesellschaft in der Regel kein Geld ab und werden selbst von Frauen nicht wertgeschätzt. Sie sind selbstverständlich. Und hier hinzu zähle ich auch noch unsichtbarere Arbeiten, wie beispielsweise das Pflegen der sozialen Kontakte der Familie, das einfühlsame Zuhören bei den Geschichten der Kinder, des Mannes, der Mitarbeitenden, das Organisieren von Familienferien, und so weiter und so fort.

Diese mangelnde Wertschätzung überträgt sich dann auf die männliche Arbeit draussen. Der Mann wird angeprangert dies und jenes falsch gemacht zu haben (oft im emotionalen Bereich). Doch er hat doch alles gegeben und dafür gesorgt, dass der Hof läuft, dass Einkommen erwirtschaftet wird. Was zum Geier hat er denn jetzt wieder falsch gemacht? Diese Frauen versteht man doch einfach nicht! So kompliziert! Der Landwirt versteht in der Regel die Welt nicht mehr. Und das ist logisch, denn er hat nichts falsch gemacht. Ausser vielleicht, dass er die unsichtbaren Arbeiten selbst auch nicht gesehen und sie so auch nicht wertgeschätzt hat.

Sehr viel mit Wertschätzung zu tun

Die Rollenaufteilung Mann/Frau hat somit sehr viel mit Wertschätzung zu tun. Es ist grundsätzlich egal wer nun die Knopf-Funktion übernimmt und wer das Kleid näht. Weibliche Arbeiten können natürlich auch von Männern verrichtet werden, denn wir alle haben sowohl eine weibliche als auch eine männliche Seite.

Dies ist in einer Partnerschaft letztendlich Verhandlungssache. Aber der Knopf sollte in jedem Fall Wertschätzung für seine Schönheit und Wichtigkeit bekommen. Die Innentasche auch.

Über diese Artikel-Serie

Anfang Mai dieses Jahres hat schweizerbauer.ch eine Online-Umfrage zum Thema Beratung aufgeschaltet und die Leser gefragt «Welche Themen beschäftigen Sie zurzeit und wo möchten Sie gerne Antwort erhalten?»

Barbara Eiselen geht monatlich auf eines der meistgenannten Themen ein. Im letzten Monat ging es um die Neuausrichtung des Hofes und den damit verbundenen Investitionen. Im nächsten Artikel, Anfang September, wird sich Barbara Eiselen dem Thema Hofübergabe und Loslassen widmen

 

Erschienene Artikel:

Psychische Belastung in der Landwirtschaft:  Der Schuh drückt und die Beziehung leidet

Mehr Freizeit:  Mehr Freizeit: Ja zu welchem Zweck eigentlich?

Neuausrichtung des Hofes u. Investitionen:  «Investiert nicht nur in Stall, sondern auch in eure Vision»

 

 

 

 

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