Die Branchenorganisation Milch (BOM) erhöht den Richtpreis für industrielle Molkereimilch im A-Segment auf 78 Rappen je Kilo. Die BOM will sich aber dagegen zur Wehr setzen, dass die Verkäsungszulage direkt an die Bauern ausbezahlt wird.
In der Schweiz gibt es immer weniger Milchproduzentinnen und Milchproduzenten. Die tiefen Preise haben in den vergangenen Jahren den Strukturwandel verstärkt.
Milchproduktion stagniert
Seit Beginn der Pandemie ist die Nachfrage nach Milch gestiegen. Die Produktion ist 2021 aber nur leicht höher. Bis Ende November 2021 wurden 3,14 Mrd. kg eingeliefert, das sind nur 0,6 Prozent (5’000 Tonnen mehr) als im Vorjahreszeitraum.
Die oft nicht-kostendeckenden Milchpreise haben sich auf die Anzahl Produzenten ausgewirkt. 2021 haben 471 Milchbauern für immer aufgeben. Damit haben noch 17’925 Betriebe Milch abgeliefert, 2,6 Prozent weniger als im Vorjahr. Die Marke von 18’000 Erzeugern wurde damit unterschritten. Zum Vergleich: 2003 haben noch rund 33’000 Bauern Kühe gemolken, 2009 waren es noch 27’000 Betriebe. 2015 sank die Anzahl Milchbauern auf 21’765 (-5’251).
Tiefe Preise setzen insbesondere den Molkereimilch-Produzenten zu. Die Rufe nach höheren Milchpreisen in der Branche wurden in den vergangenen Monaten deshalb immer lauter. Mehrere Bauernorganisationen forderten die Branchenorganisation Milch (BOM) auf, den Richtpreis zu erhöhen.
Deutlich gestiegene Kosten
Die Genossenschaft Vereinigte Milchbauern Mitte-Ost (VMMO) teilte im Januar mit, dass die Produzenten zwar aktuell 3 bis 5% mehr als noch vor Jahresfrist für Milch erhielten. Doch sie wiesen auf die deutlich gestiegenen Kosten hin. «Vom höheren Milchpreis profitierten die Produzenten derzeit nicht. Sie sind in den letzten Monaten von einer wahren Kostenlawine überrollt worden», hielt die VMMO fest.
Die VMMO verwies auf die massiv höheren Preise für Maschinen, Futter, Treibstoffe, Medikamente, Verbrauchsmaterialien, Energie, baulichen Unterhalt und andere Produktionsmittel, welche die höheren Milchpreise mehr als nur aufgefressen hätten. Besonders Betriebe mit dem Hauptbetriebszweig Milch seien vom steigenden Kostenumfeld überproportional betroffen.
BIG-M wollte 9 Rappen mehr
Auch das Bäuerliche Zentrum Schweiz (BZS) fordert von den Verarbeitern und dem Handel ein Signal. Die Preise für Molkereimilch seien zwar gestiegen, doch das reiche hinten und vorne nicht. Nun müsse mindestens der Richtpreis der Branchenorganisation Milch (BOM) von 73 Rp./kg ausbezahlt werden. Und das ab Hof. «Die Zeit der faulen Ausreden ist nun definitiv vorbei», schreibt das BZS.
Die höheren Preise würden sich nur in den Läden bemerkbar machen, sagte BIG-M im Februar. «Bei den Milchbauern kommt hingegen davon wenig bis nichts an. Im Gegenteil: Bereits ab Februar ist bei uns mit den üblichen Preisreduktionen zu rechnen, da die Verarbeiter diese seit Jahren eingeplant haben», warnte BIG-M. Die Organisation warf den Verarbeitern und dem Handel vor, sich nicht für die Situation der Milchbauern zu interessieren. BIG-M forderte deshalb in einem ersten Schritt eine Erhöhung von 9 Rappen je Kilo im A-Segment für industrielle Molkereimilch.
Preiserhöhung ab Mitte April
So eine deutliche Erhöhung hat die BOM am Mittwoch nicht beschlossen. Der Richtpreis steigt um 5 Rappen auf 78 Rappen je Kilo. Diese Richtpreiserhöhung erfolgt auf den 16. April 2022. Es handelt sich um die erste Erhöhung seit dem 1. Januar 2021.
Die Richtpreise werden eigentlich immer Anfang Quartal angepasst. «Der Grund für die um zwei Wochen spätere Umsetzung des Richtpreisanstiegs liegt in der kurzen Frist für eine Umsetzung dieses Entscheids auf allen Handelsstufen», schreibt die BOM in einer Mitteilung. Der Richtpreis von 78 Rappen ist bis Ende 2022 fixiert. «Damit erhält die Milchbranche Planbarkeit und Stabilität», heisst es weiter.
Bereits im Vorfeld hat das BOM-Mitglied Coop gegenüber schweizerbauer.ch gesagt, eine Erhöhung der Milchpreise mitzutragen. «Wir sehen die deutlich gestiegenen Kosten bei den Milchbauern», sagte Coop-Chef Philipp Wyss.
Richtpreise
Der Richtpreise der BOM (Branchenorganisation Milch) bilden eine Entscheidungsgrundlage für Preisverhandlungen zwischen den Marktpartnern und gelten ausschliesslich für Molkereimilch. Sie entsprechen somit nicht den realisierten Milchpreisen, sondern verstehen sich als Preise franko Rampe des Verarbeiters. Richtpreise werden für alle drei Segmente (A, B, C) festgelegt.
Der Richtpreis für A-Milch wird mithilfe des Molkereimilchpreisindex (BLW) und der prospektiven Markteinschätzung des Vorstandes der BOM quartalsweise festgelegt. Der Richtpreis im B-Segment entspricht dem Rohstoffwert eines Kilogramms Milch bei der Verwertung zu Magermilchpulver für den Weltmarkt und Butter für den Inlandmarkt. Der Richtpreis im C-Segment entspricht dem Rohstoffwert eines Kilogramms Milch bei der Verwertung zu Magermilchpulver und Butter für den Weltmarkt. Der B- und C-Preis wird monatlich festgelegt. IP-Lait
Geld gegen Massentierhaltungsinitiative
Der Vorstand hat zudem entschieden, der Allianz gegen die Massentierhaltungsinitiative unter dem Dach des Schweizer Bauernverbands beizutreten. Die BOM wird sich auch finanziell am Abstimmungskampf gegen die Initiative zu beteiligen.
«Die Milchbranche wäre von der Initiative zwar wenig betroffen ist, weil der überwiegende Teil der Schweizer Milchproduktion in Bezug auf die Tierhaltung die Forderungen der Initiative bereits heute erfüllt», hält die BOM.
Noch im November 2021 erachtete die BOM die Initiative wie auch den Gegenvorschlag als eine «grosse Bedrohung» für die Schweizer Milchwirtschaft. «Auch wenn die Milchproduktion in der Schweiz meilenweit von einer Massentierhaltung entfernt ist, würde die Initiative unnötige und teilweise kontraproduktive Auflagen nach sich ziehen, welche die Produktion stark verteuern würde», warnte die BOM.
Verkäsungszulage soll nicht direkt an Landwirt
Bei Agrar-Verordnungspaket 2022 will die BOM die Gegensteuer. Sie ist gegen den Vorschlag, dass die Verkäsungszulage direkt an den Milchbauern ausbezahlt wird. Die Auszahlung soll weiterhin über das «bewährten System über die Käsehersteller» erfolgen.
Die Zulagen für verkäste Milch sowie für die Fütterung des Milchviehs ohne Silage soll gemäss Vorschlag des Bundes ab 2024 direkt an die Bauern ausbezahlt werden können. «Damit kann das aktuell bestehende Risiko, dass bei der Zahlungsunfähigkeit einer Milchverwerterin bzw. eines Milchverwerters die Zulagen die Produzentinnen und Produzenten nicht erreichen, eliminiert werden», heisst es im Bericht zum Verordnungspaket.
Mit der Direktauszahlung werde die Transparenz über den Milchpreis verbessert, indem der tatsächlich von den Milchkäuferinnen und -käufern an die Produzentinnen und Produzenten ausbezahlte Milchpreis und der vom Bund ausbezahlte Subventionsbeitrag neu separat ausgewiesen werden. «Die von den Milchkäufern an die Milchproduzenten ausbezahlten Preise für verkäste Milch werden mit der Direktauszahlung der Zulagen sinken. Im Export könnten die Käsehändler deshalb Druck auf die Käsepreise machen, was wiederum die Milchpreise im Inland negativ beeinflussen könnte», heisst es weiter.
Dazu wird die offizielle Teuerung tiefgestappelt, Bauernschaft und Konsumenten sitzen im selben Boot an dem die Politiker bereits den Bohrer angesetzt haben.
Wo sind unsere Verbände ???
Aus der Milchproduktion aussteigen währe wohl das Richtige.
Leider merken es viele nicht einmal...