Schweizer Landwirtinnen und Landwirte organisieren seit dieser Woche Anlässe, bei denen sie auf die schwierige Situation hinweisen. Sie fordern einen Abbau der Bürokratie, mehr Planungssicherheit, mehr Wertschätzung und vor allem gerechtere Produzentenpreise.
Bauernverband fordert 5 bis 10% mehr
Bezüglich Preise hat sich auch der Schweizer Bauernverband (SBV) engagiert. Er fordert eine Erhöhung der Produzentenpreise von 5 bis 10 Prozent. Über eine Online-Petition hat der SBV Unterschriften gesammelt. Es wird sich zeigen, ob die Petition mit 65’000 Unterschriften, die Coop, Migros, Aldi und Lidl überreicht wurde, Wirkung zeigen wird. In nächster Zeit stehen Preisverhandlungen bei den Kartoffeln oder beim Getreide an. Die Bauernverbände sind also gefordert.
Bei der Milch wurde das Ziel jedenfalls nicht erreicht. Der Richtpreis für Industriesegment im A-Segment steigt ab 1. Juli um 2,5 Rappen auf 81,5 Rappen . Das ist ein halber Rappen mehr als 2023. Zwar steigt der Richtpreis um 3 Rappen, der Fonds-Abzug wird aber um 0,5 auf 5 Rappen je Kilo erhöht. Zudem hat der Vorstand der Branchenorganisation Milch (BOM) den Richtpreis bis Ende Jahr fixiert.
Differenz von bis zu 22 Rappen je Kilo
Faire Märkte Schweiz (FMS) hat den Milchmarkt und die Produzentenpreise genauer angeschaut. «Die wirtschaftliche Situation der Produzenten ist belastend, und die Entlohnung für ihre harte Arbeit steht in einem eklatanten Missverhältnis zur Realität. Nach einer Buchhaltungsauswertung von Agroscope liegt der Arbeitsverdienst pro Stunde bei einem mittleren Milchbetrieb in der Hügelzone/Bergzone 1 bei lediglich 10.70 Franken, ohne Berücksichtigung der Direktzahlungen», schreibt FMS in einer Mitteilung.
Mehrere Milchproduzenten haben sich nach der Ankündigung der Richtpreiserhöhung bei der FMS gemeldet. Die Entscheidung der BOM haben die Landwirte als «Farce» bezeichnet. FMS hat in der Folge gemäss eigenen Angaben eine unabhängige Untersuchung durchgeführt. Die Resultate bestätigen erneut die grosse Differenz zwischen Richtpreis und ausbezahltem Preis.
Bei den konventionellen und IP-Produzenten liegen die ausbezahlten Preise zwischen 11 und 20 Rappen unter dem offiziellen A-Richtpreis. Der monetäre Verlust gegenüber dem A-Richtpreis liegt zwischen 14 und 25 Prozent.
Diese ausbezahlten Milchpreise variieren bei jedem Milchkäufer. «Letztlich bekommen aber alle Milchproduzenten monatlich einen Milchpreis ausbezahlt, der deutlich tiefer als der theoretisch von der BOM ausgehandelte Richtpreis für A-Milch und ebenfalls weit weg von einem kostendeckenden Preis ist», so die Bilanz der Untersuchung. Der Richtpreis für industrielle A-Milch liegt bei 79 Rappen je Kilo.
FMS
Resultate der FMS-Analyse
- Diskrepanz A-Richtpreis zu Basismilchpreis: Der Basismilchpreis (also der Preis ohne Zu-/Abzüge) liegt bei den konventionellen und IP-Produzenten zwischen 12 bis 22 Rappen unter dem offiziellen A-Richtpreis (79 Rp./kg) der Branchenorganisation BOM, was einer Abweichung zwischen 15 und 28% entspricht.
- Diskrepanz A-Richtpreis zu Preis ausbezahlt: Die ausbezahlten Preise liegen bei den konventionellen und IP-Produzenten zwischen 11 und 20 Rappen unter dem offiziellen A-Richtpreis der Branchenorganisation BOM. Der monetäre Verlust gegenüber dem A-Richtpreis beträgt für die drei Produzenten zwischen 14 und 25%.
- Diskrepanz ausbezahlter zu kostendeckendem Preis: Im Vergleich zu einem typischen Betrieb nach Buchhaltungsauswertung Agroscope (Vollkostenrechnung ohne Direktzahlungen des Bundes) der Hügelzone/Bergzone 1 liegen die ausbezahlten Milchpreise 56 bis 65 Rappen unter dem kostendeckenden Preisniveau, das einem Arbeitsverdienst von 29.- pro Stunde entsprechen würde. Zwischen 45 bis 52% der Kosten können die drei Milchproduzenten nicht mit den Preisen am Markt decken.
Der effektiv ausbezahlte Milchpreis setzt sich aus einem Basispreis zusammen (Mix aus A-Segment und B-Segment) sowie Zuschlägen (z.B. Gehaltszulagen, Milchzulagen nicht verkäste Milch, Wiesenmilchzuschlag) und Abzügen (z.B. Transport-/Abholpauschale oder Beiträge Produzentenorganisation SMP oder Branchenorganisation BOM).
Für die FMS zeigen die Daten, dass sich die Situation auf dem Milchmarkt grundlegend ändern muss. Die Organisation fordert gerechte Preise und mehr Transparenz. Die Interessen der Milchbauern müssten berücksichtigt werden. FMS ruft die Händler und Verarbeiter dringend zu Massnahmen auf.
Die Forderungen von Faire Märkte Schweiz:
- Erhöhung der Milchpreise: Für die Milchbauern ist der ausbezahlte Milchpreis entscheidend. Die Direktzahlungen haben einen anderen Zweck und können diese Lücke nicht schliessen. FMS fordert die Abnehmer auf, ihre Milchpreise zu erhöhen, damit die ausbezahlten Preise auch dem von der BOM kommunizierten Richtpreisniveau entsprechen.
- Mehr Transparenz: FMS fordert die Abnehmer auf, ihre Milchpreiskalkulationen transparent zu gestalten, worin insbesondere auch der Vergleich zum kostendeckenden Preisniveau (Vollkosten Agroscope) «klar und deutlich ersichtlich wird.» Es soll auch ersichtlich werde, bei welchen Milchprodukten der Rohstoff wie abgerechnet respektive welcher Milchpreis dafür bezahlt wurde.
- Keine Lieferungspflicht von B-Milch (Dumpingmilch): FMS führt die grosse Differenz zwischen ausbezahlten und A-Richtpreis auf die Lieferung von bis zu 40 Prozent B-Milch zurück. Bei den vorliegenden Abrechnungen lagen die Preise zwischen 41 bis 51 Rp pro kg (Richtpreis B-Milch März 2024: 55.6 Rp/kg). FMS fordert daher die BOM auf, einen neuen Standardmilchkaufvertrag auszuarbeiten, in welchem die Lieferung von B-Milch freiwillig ist. Die Lieferpflicht von «Dumpingmilch» (B-Milch) soll wegfallen. FMS verweist auf einen Parlamentsentscheid, der dies fordert.
«Ohne B-Milch bricht System zusammen»
FMS kritisiert die Lieferung von B-Milch. Die Organisation fordert, dass die Lieferung freiwillig wird. Stefan Kohler, der Geschäftsführer der Branchenorganisation Milch (BOM), sagt gegenüber der «NZZ», dass die Einführung der Segmentierung in A- und B-Milch im Jahr eine Folge der Aufhebung des Kontingentssystem sei. Es handle sich um einen Kompromiss zwischen Händlern und Produzenten.
Ein höherer Richtpreis im A-Segment. Und es gebe Bauern, für die sich die Produktion von B-Milch im «Gesamtpaket» rechne. Er warnt davor, die Lieferung von B-Milch freiwillig zu machen: «Ohne B-Milch gibt es auch keinen so hohen Preis für A-Milch mehr. Dann bricht das ganze System zusammen.»
Richtpreis 79 Rp.
Kostendeckender Preis 124 Rp.
Da werden noch mehr mit melken aufhören...