Die Finanzkommission (Fiko) des Grossen Rats hatte sich Vorfeld der Debatte mit der Informa-Strategie befasst. Und das Resultat ist für die Regierung wenig schmeichelhaft. Zwar begrüsste die Fiko eine Erarbeitung einer neuen Nutzerstrategie. Und diese enthalte auch positive Elemente. Die Fiko forderte eine umfassende Überarbeitung der Nutzerstrategie. Sie kritisierte sowohl das Vorgehen als auch inhaltliche Punkte des Berichts. Deshalb beantragte sie dem Grossen Rat, die Nutzerstrategie zurückzuweisen, verbunden mit neun Auflagen.
Anspruchsgruppen einbeziehen
Kritisiert wurde insbesondere der Erarbeitungsprozess. «Die Nutzerstrategie wurde praktisch ausschliesslich verwaltungsintern und durch das Inforama erarbeitet», hiess es in der Mitteilung der Fiko von Mitte August. Anspruchsgruppen wie der Schulrat, Bauernverbände oder die Standortgemeinden seien nicht oder nur ungenügend einbezogen worden.
Das Argument der Regierung, in einem ersten Schritt eine betrieblich und räumlich optimale Strategie erarbeiten zu wollen, überzeugte die Fiko nicht. Sie forderte, die Anspruchsgruppen «prominent» in die Überarbeitung einzubeziehen. Kritisiert wurde auch die langfristige Strategie bis in die 2040er-Jahre. Viele Punkte würden vage bleiben. Die Fiko forderte Nachbesserungen. Die Kommission befürchtete durch die Konzentration teure Leerstände. «Zu möglichen Nachnutzungen fehlen in der Strategie jegliche Aussagen», lautete die Kritik.
Grosser Rat will mehr Angaben
Mit der Vorlage ist nun auch die Mehrheit des Grosse Rats nicht einverstanden. Das Kantonsparlament hat die Vorlage an den Regierungsrat zurückgewiesen. Die Regierung muss nun zusätzliche Angaben liefern, wie sich die Landwirtschaft in den nächsten beiden Jahrzehnten entwickeln wird und wie die freiwerdenden Liegenschaften künftig genutzt werden könnten. Auch sollen die Anspruchsgruppen wie Bauernverband, Schulrat und Standortgemeinden einbezogen werden.
Die zentralen Forderungen wurden einstimmig verabschiedet. Der Rat versah die Rückweisung mit insgesamt elf Auflagen. Landwirtschaftsdirektor Christoph Ammann (SP) beteuerte vergeblich, mit den Forderungen renne das Parlament offene Türen ein. Diese Fragen würden ohnehin in der nächsten Planungsphase geprüft. Mit der Rückweisung des Strategiepapiers verliere man bloss Zeit.
Forderungen
- In die Überarbeitung sind sämtliche Anspruchsgruppen, namentlich die Branche (u.a. Bauernverband), der Schulrat und die Standortgemeinden, als aktiv Projektbeteiligte einzubinden und in der Projektorganisation abzubilden. Ebenfalls angemessen zu berücksichtigen sind je nach Standort die Berufsfachschulen, die Fachhochschule (BFH-HAFL) und Agroscope. Einzubeziehen sind ferner mögliche überkantonale Bildungskooperationen.
- Die zu überarbeitende Nutzerstrategie zeigt auf, wie sie sich zu den Zielen der kantonalen Immobilienstrategie 2019 verhält – insbesondere misst sie die Investitionskosten und den Land- und Ressourcenverbrauch.
- Die zu überarbeitende Nutzerstrategie zeigt auf, wie sie sich zu den Zielen der kantonalen Immobilienstrategie 2019 verhält – insbesondere misst sie die Investitionskosten und den Land- und Ressourcenverbrauch.
- Es ist ein Mobilitätskonzept für alle geprüften Varianten auszuarbeiten und im Bericht abzubilden.
- In der Nutzerstrategie ist darzulegen, wie die Umsetzung der Strategie eine praxisnahe, zukunftsgerichtete und qualitativ hochstehende Ausbildung in den einzelnen Berufsgruppen ermöglicht.
- Die Nutzerstrategie ist mit einem längerfristigen Ausblick zu ergänzen. Darin sind insbesondere mögliche Entwicklungen in der Ausbildung, der Einfluss des Klimawandels und weitere Megatrends zu berücksichtigen.
- Standort Schwand: Bei der Evaluierung der Räumlichkeiten ist die Möglichkeit eines allfälligen Mieterausbaus für weitere Inforama-Nutzungen oder für anderweitige Bildungsangebote wie namentlich die Überbetrieblichen Kurse zu prüfen.
- Die ohnehin vorgesehenen und nicht direkt von der Nutzerstrategie abhängigen Investitionen werden wie geplant umgesetzt.
- Bei Konzentrationen, bzw. der Schaffung von Kompetenzzentren sind auch andere Standorte als die Rütti zu prüfen (z.B. für Hauswirtschaft oder Überbetriebliche Kurse).
Kritik an Zentralisierung
Die geplanten Schliessungen stiessen vor Ort auf Unverständnis, sagte unter anderem Andreas Mühlemann (Mitte/Grasswil). Die angestrebte Zentralisierung werde «sehr kritisch» beurteilt. Die Ausbildung in den Regionen habe beträchtliche Vorteile, dazu gehörten die kurzen Anfahrtswege und die starke Vernetzung.
Man solle endlich aufhören, die Randregionen abzustrafen und ihnen Dinge wegzunehmen, sagte Walter Sutter (SVP/Langnau). Der Weg vom Zentrum in die Regionen sei gleich weit wie umgekehrt. «Man könnte die Randregionen auch einmal stärken», sagte Sutter.
Auslastung «suboptimal»
Die angestrebte Konzentration auf drei Standorte mache Sinn, entgegnete Ueli Egger (SP/Hünibach). Es sei nachvollziehbar, dass die schlecht ausgelasteten, zum Teil ungünstigen Standorte aufgegeben werden sollten. Tobias Vögeli (GLP/Frauenkappelen) ergänzte, die Auslastung der Gebäude sei heute «suboptimal». Kommunale oder regionalpolitische Interessen dürften nicht über gesamtkantonale Interessen gestellt werden.
Der Grosse Rat folgte aber seiner Finanzkommission. Mit grossem Mehr weist das Kantonsparlament die Pläne für die Konzentration der Inforama-Standorte zurück.
Wenigstens in einem Punkt sei sich der Rat einig, stellte Regierungsrat Ammann fest: «Alle wollen ein starkes Inforama.» Gute Gründe sprächen dafür, sich auf drei Standorte zu beschränken. So sei das Inforama wesentlich einfacher zu führen, und es gebe geringere Betriebs- und Unterhaltskosten.
Die überarbeitete Strategie will der Grosse Rat spätestens in der Wintersession 2024 besprechen. Darauf beharrte die Ratsmehrheit, obgleich Ammann warnte, dieser Zeitplan sei unmöglich einzuhalten.
Alte Strategie beibehalten?
Dass die dezentrale Struktur viele Freunde hat, demonstrierte der Rat mit der Überweisung eines Postulats des langjährigen Präsidenten des Berner Bauernverbandes, Hans Jörg Rüegsegger (SVP/Riggisberg).
Die Regierung soll demnach prüfen, «die Grundbildung weiterhin in der bewährten dezentralen Inforama-Struktur anzubieten». Das Postulat wurde mit 96 zu 49 Stimmen angenommen.
Gebäude
Heute ist die landwirtschaftliche Ausbildung im grössten Agrarkanton dezentral an sieben Standorten verteilt. Doch damit soll Schluss sein, teilte die Berner Regierung Mitte Mai mit. Viele der Gebäude seien sanierungsbedürftig. Um den Anforderungen an einen modernen Bildungs- und Beratungsbetrieb zu genügen, stünden an mehreren Standorten Investitionen an, so der Regierungsrat.
Er liess deshalb eine Nutzerstrategie erarbeiten. Das Resultat führte zu einem mittleren Beben. Denn durchgesetzt hat sich die Variante mit drei Kompetenzzentren in den Regionen Seeland, Mittelland und Berner Oberland. Sie sieht vor, dass das Inforama seine Tätigkeiten auf die Standorte Rütti (Mittelland), Hondrich (Berner Oberland) Ins (Seeland) konzentriert. Das 1. und 2. Jahr der Grundbildung zum Landwirt respektive zur Landwirtin und die landwirtschaftliche Beratung sollen weiterhin auch dezentral angeboten werden.
«Landwirtschaft wird geschwächt»
Die Standorte Oeschberg (Koppigen), Waldhof (Langenthal), Schwand (Münsingen) und Emmental (Bärau) werden mittelfristig aufgehoben. Das Emmental und das Oberaargau gehen damit leer aus. Aus den Regionen gab es viel Kritik. «Landwirtschaft Emmental» befürchtet eine Schwächung der Landwirtschaft und der Region als Ganzes. Fachkräfte und Auszubildende würden wegziehen. Das könne unmöglich das Ziel dieser Strategie sein. Der Vorstand von «Landwirtschaft Emmental» erwartet von den Behörden einen engen Einbezug der betroffenen Regionen und weitere Abklärungen.
Der Präsident des Berner Bauernverbandes, Jürg Iseli, zeigte sich wenig erfreut über die Pläne der Regierung. «Gerade in der landwirtschaftlichen Aus- und Weiterbildung sind kurze Wege sehr wichtig», sagte er zum Regionaljournal von Radio SRF. Mit dieser Standortstrategie entferne sich der Kanton von den Bauern.
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