Massig PS, eindrückliche Traktoren und viel Unterhaltung: Die Tractor-Pulling-Anlässe locken viel Publikum an. Doch nicht bei allen kommt das Kräftemessen der Traktoren gut an. Der Berner SP-Grossrätin Sarah Gabi Schönenberger sind solche Veranstaltungen ein Dorn im Auge.
«Nicht mehr zeitgemäss»
Die Grossrätin reichte einen Vorstoss ein, mit dem solchen Anlässen im Kanton Bern die Bewilligung verweigert werden solle . Angesichts ihres Schädigungspotenzials seien derlei «Freizeit und Spassveranstaltungen auf landwirtschaftlich genutzten Flächen» nicht mehr zeitgemäss, schreibt die SP-Politikerin in ihrer Motion.
Die Veranstaltungen stehen laut der SP-Politikerin «in krassem Widerspruch mit den kantonalen und nationalen Bestrebungen im Bereich Bodenschutz und Biodiversität». Sie ist überzeugt: «Wenn man klimapolitisch weiterkommen will, ist es eine Farce, solche Events weiterhin zu bewilligen.» Zu schwere Maschinen und die grundsätzliche massive Mechanisierung in der Landwirtschaft würden zunehmend grosse Probleme verursachen. «Die Bodenverdichtungsproblematik sollte auch kantonal angegangen werden, denn die Verdichtung aufgrund des zunehmenden Einsatzes schwerer Agrarmaschinen beeinträchtigt vielerorts dauerhaft die Produktivität der Böden – und somit auch künftige Erträge», heisst es in der Motion weiter.
Vergleich mit anderen Veranstaltungen
Das Berner Parlament diskutierte den Vorstoss am Mittwoch. Es gab zahlreiche Wortmeldungen. Motionärin Sarah Gabi Schönenberger (SP) sah den Grund für ein Verbot in der hohen Belastung für den Boden und seine Durchlässigkeit. Sie vertrat die Auffassung, dass diese Wettkämpfe lediglich der Unterhaltung dienen.
Anlässe im Kanton Bern
Die Schweizer Meisterschaft im Tractor Pulling in diesem Jahr umfasst sieben Anlässe. Drei davon finden im Kanton Bern statt: Zimmerwald (5. bis 7. Juli), Schwadernau (20. und 21. Juli) und Sumiswald (11. bis 13. Oktober)
Der Wettbewerb findet auf einer speziell präparierten Schleppbahn statt. Die Zugmaschine zieht dabei einen Schlitten der mit Gewichten beladen ist. Je weiter der Traktor den Schlitten zieht, desto mehr Gewicht wird auf den Schlitten verlagert, was den Zug für den Traktor erschwert. Die Traktoren werden fürs Tractor Pulling stark modifiziert, um maximale Leistung und Zugkraft zu erzielen. Die Motoren werden oft mit Turboaufladung oder anderen leistungssteigernden Massnahmen ausgestattet. Die Fahrer optimieren auch das Gewichtsverhältnis und die Traktionsbedingungen, um die bestmögliche Performance zu erzielen.
Diese Argumente konnten den Grossen Rat nicht überzeugen. So wurde etwa darauf hingewiesen, dass auch andere Freizeitveranstaltungen wie Openair-Konzerte, Turn- oder Schwingfeste erhebliche Auswirkungen auf den Boden und die Umwelt haben. Ein exklusives Verbot für eine Veranstaltung könne nicht unterstützt werden, sagte Monika Stampli von den Grünliberalen. Anna de Quervain (Grüne) sagte, solche Veranstaltungen produzierten Lärm, Abgas und CO2-Emissionen. Die Grünen unterstützten den Vorstoss trotzdem nicht. «Es ist nicht der richtige Weg, einzelne Anlässe zu verbieten», sagte de Quervain. Das sei nicht zielführend.
«Angriff auf die ländliche Bevölkerung»
«Heute werden an die Traktoren schon ziemlich hohe Anforderungen gestellt. Zudem gibt es andere Nutzungen von landwirtschaftlichen Flächen, die mindestens ebenso schädlich sind», sagte Grossrat und Landwirt Tom Gerber (EVP). Er verwies auf die Nutzung solcher Flächen als Parkplätze bei Demonstrationen. Nils Fiechter von der SVP sprach von einem Angriff auf die ländliche Bevölkerung. «Das lassen wir nicht zu», sagte er. Parteikollege Roland Iseli wies darauf hin, dass Tractor-Pulling-Veranstaltungen Familienanlässe seien.
Beat Bösiger (SVP), der früher selber an Anlässen teilgenommen hat und Mitorganisator des Pulling-Events in Niederbipp BE war, wies darauf hin, dass Veranstalter einen grossen Auflagenkatalog erfüllen müssten. Die Piste werde Wochen zuvor für den Anlass vorbereitet und abgedeckt. Die 10 Aren würden nach dem Event wieder aufgelockert.
Regierung: Verbot nicht verhältnismässig
Die Regierung wies darauf hin, dass jeder Tractor-Pulling-Wettbewerbs im Kanton bewilligungspflichtig ist. Im Bereich des Bodenschutzes werde die Bewertung von der Fachstelle Boden vom Amt für Landwirtschaft und Natur durchgeführt. «Neben den zahlenmässig wenigen Traktor-Pulling-Veranstaltungen können auch andere Freizeitveranstaltungen wie beispielsweise Openairs oder Schwing- und Turnfeste erhebliche Auswirkungen auf den Boden und die Umwelt haben», sagte Regierungsrat Christoph Ammann. Aus diesem Blickwinkel könnten Bewilligungen von Traktor-Pulling-Veranstaltungen nicht isoliert betrachtet werden.
Der Regierungsrat ist der Ansicht, dass die heutigen Vorgaben im Zusammenhang mit der Bewilligung von Traktor-Pulling-Veranstaltungen genügen und ein allgemeines Verbot im Kanton Bern nicht verhältnismässig wäre. Das sah auch der Grosse Rat so. Er lehnte den Vorstoss mit 109 Ja-Stimmen bei 22 Nein-Stimmen und 20 Enthaltungen deutlich ab.
Das jurassische Kantonsparlament hatte bereits 2023 mit 40 zu 16 Stimmen einen Antrag abgelehnt, der entsprechende Veranstaltungen wegen der Bodenbeschädigungen in Frage stellte.
Was ist Tractor Pulling?
Tractor Pulling ist ein Zugkraftwettbewerb indem es darum geht einen Bremswagen, der kontinuierlich zur zurückgelegten Distanz an Bremskraft zunimmt, über eine Distanz von 100 m zu ziehen oder eben zu pullen. Wird die Ziellinie erreicht, nennt man dies einen Full Pull. Jeder Teilnehmer, der diesen Full Pull schafft, hat im Stechen die Möglichkeit, um den Sieg zu kämpfen. Damit es für die Finalteilnehmer nicht so einfach wird, kann der Zugwiderstand des Bremswagens erhöht werden.
Im Stechen gilt das sogenannte Floating Finish. Das bedeutet, wenn ein Fahrer mit seinem Traktor mehr als 100 Meter zurücklegt, gilt die effektive Distanz für die Endwertung. Das Tractor Pulling hat seine Anfänge in den 1940-er Jahren in den USA. Nach der Mechanisierung der Landwirtschaft haben sich die Bauern mit ihren Traktoren «duelliert». Die Landwirte trafen sich auf den «county fairs» (Jahrmärkten) zum «Tractorpull». blu