Im Hinblick auf die Senkung des Milch-Richtpreises per 1. Januar 2023 hat sich das «Bieler Tagblatt» bei zwei Seeländer Bauern erkundigt, welche Auswirkungen diese Preissenkung auf ihren Betrieb haben wird. Beide Bauern rechnen damit, beziehungsweise befürchten, dass ihr Einkommen um bis zu 10'000 Franken tiefer ausfallen könnte. Jürg Iseli, Präsident des Berner Bauernverbandes, findet für diese Situation klare Worte: «Das ist sehr frustrierend».
Minus von 10’000 Franken
Die Senkung des Richtpreises um 2 Rappen von 81 auf 79 Rappen pro Kilo Milch betrübt Roland Krebs sehr. Er führt mit seiner Familie in Bühl BE einen Bauernhof. Zusammen mit zwei Lehrlingen melkt er 65 Milchkühe und produziert rund eine halbe Million Kilo Milch. Rein rechnerisch macht diese Senkung des Richtpreises um 2 Rappen rund 10'000 Franken pro Jahr aus, wie das «Bieler Tagblatt» hervorhebt.
Bauer Roland Krebs würde seinen Familienbetrieb gerne einmal seinen Kindern oder einem Nachfolger übergeben, und zwar in einem guten Zustand, so dass auch ein erfolgreiches Wirtschaften möglich sei, sagt er dem «Bieler Tagblatt». Dafür sei es aber notwendig regelmässig Investitionen zu tätigen, so beispielsweise in Maschinen oder in Gebäudeinfrastruktur. Bei einem Milchpreis, der nur das Existenzminimum decken würde, sei dies aber nicht möglich, stelle Krebs fest. «Ein Milchpreis, der einfach zum Leben reicht, reicht nicht», sagt er dem «Bieler Tagblatt».
Der Eichhof der Familie Krebs befindet sich in Bühl BE.
Weniger Einnahmen, mehr Kosten
Die Senkung des Milchpreises war aber nicht etwa ein politischer Entscheid. Sondern es sind drei Gremien, die über diesen Richtpreis entscheiden . Einmal sind es die Vertreter der Landwirtschaft, dann ist der Detailhandel beteiligt und schliesslich Vertreter der Milchverwertungsindustrie. Die Vertreter dieser drei Gruppen entscheiden gleichberechtigt darüber, wie hoch der Milchpreis sein soll.
Für nächstes Jahr hat dieses Gremium zulasten der Landwirtschaft entschieden. Für Jürg Iseli sei dies sehr frustrierend, verrät er dem «Bieler Tagblatt». Landwirtinnen und Landwirte seien ohnehin schon von diversen Mehrkosten betroffen. So sei für die Milchproduktion auch viel Strom nötig, der immer teurer werde.
Richtpreise
Der Richtpreise der BOM (Branchenorganisation Milch) bilden eine Entscheidungsgrundlage für Preisverhandlungen zwischen den Marktpartnern und gelten ausschliesslich für Molkereimilch. Sie entsprechen somit nicht den realisierten Milchpreisen, sondern verstehen sich als Preise franko Rampe des Verarbeiters. Richtpreise werden für alle drei Segmente (A, B, C) festgelegt.
Der Richtpreis für A-Milch wird mithilfe des Molkereimilchpreisindex (BLW) und der prospektiven Markteinschätzung des Vorstandes der BOM quartalsweise festgelegt. Der Richtpreis im B-Segment entspricht dem Rohstoffwert eines Kilogramms Milch bei der Verwertung zu Magermilchpulver für den Weltmarkt und Butter für den Inlandmarkt. Der Richtpreis im C-Segment entspricht dem Rohstoffwert eines Kilogramms Milch bei der Verwertung zu Magermilchpulver und Butter für den Weltmarkt. Der B- und C-Preis wird monatlich festgelegt. IP-Lait
Für Auszubildende immer unattraktiver
Auch wenn es sich nur um wenige Rappen handelt, würde diese Preissenkung Spuren hinterlassen, meint Iseli. Denn immer weniger Landwirte würden bei sinkenden Preisen Milch produzieren wollen, stellt Iseli weiter fest. Tatsächlich gab es 2022 laut Agrarbericht 2 Prozent weniger Milchbetriebe als noch ein Jahr zuvor. «Dieser Trend wird sich weiter zuspitzen», sagt Iseli dem «Bieler Tagblatt».
Der tiefere Milchpreis könnte noch mehr Bauern dazu verleiten mit der Milchproduktion aufzuhören. Doch nicht nur das. Diese Entwicklung könnte auch zu einem Nachwuchsproblem werden. Denn für den Nachwuchs würde die Milchproduktion zunehmend unattraktiv. Junge Landwirtinnen und Landwirte seien nicht mehr bereit, diese Arbeit auf sich zu nehmen, heisst es im Artikel weiter.
Die Konsumenten davon zu überzeugen, mehr für ihre Milch zu bezahlen könnte der Preisentwicklung Gegensteuer geben. So richtet Aldi Produzenten, die in das Fairmilk-Programm liefern, eine Milchpreis von einem Franken aus.
Aldi
Richtpreis ist nur Anhaltspunkt
Auch Bauer Simon Tschannen aus Mörigen BE muss sich mit dieser Problematik auseinandersetzen. Tschannen führt einen Milchbetrieb mit rund 50 Kühen. Den Hof habe er von seinen Eltern übernommen, heisst es im Bericht. Vor knapp zehn Jahren hätte sich die Familie dafür entschieden, in eine moderne Stallhaltung mit automatischer Fütterung und einem automatischen Mistroboter zu investieren.
Für Tschannen hat die Senkung des Richtpreises auf den 1. Januar aber nicht unmittelbare Folgen. Denn der Richtpreis sei für ihn nur ein Anhaltspunkt. Denn er verkauft seine Milch der Migros-Tochter Elsa. Und diese habe noch keine Milchpreissenkung angekündigt. Tschannen befürchte jedoch, dass dies noch folgen werde.
Doch auch Tschannen bereite sich auf dieses Szenario vor. Bei einer Senkung des Milchpreises müsse auch er andernorts sparen. Auch für ihn hätte eine Senkung des Milchpreises um 2 Rappen eine weitaus grössere Auswirkung, als es dieser «kleine» Betrag vermuten liesse. Auf das Jahr gerechnet würden ihm 7'300 Franken fehlen, heisst es im Bericht. Zusammen mit den höheren Kosten für Futter, Treibstoff und Energie würde dies ein grosses Loch in seine Kasse reissen.
Die Migros-Tochter Elsa habe noch nicht entschieden, ob sie die Senkung des Richtpreises um 2 Rappen auch an ihre Lieferanten weitergeben werde.
Samuel Krähenbühl
Ohnmacht der Bauern
Aus Tschannens Aussagen ist auch eine gewisse Resignation und Ohnmacht herauszulesen. «Wir müssen es einfach schlucken, wenn der Milchpreis sinkt», sagt er dem «Bieler Tagblatt». Denn einfach die Produktionsweise zu wechseln ist für Tschannen nicht einfach. Denn Tschannen habe sich ganz bewusst auf die Milchproduktion spezialisiert. Er habe dafür viel Geld in den Betrieb investiert und könne nicht einfach so schnell wechseln, nur weil der Richtpreis sinke.
Lange sah es danach aus als würden die Milchbauern aufatmen können. «Der Milchpreis war jetzt lange auf einem Niveau, dass man noch investieren konnte», sagt Jürg Iseli. Aufgrund der Senkung des Milchpreises verweist Iseli am Schluss des Berichts des «Bieler Tagblatt» auf die Jahre 2016 und 2017 als ein tiefer Milchpreis dazu geführt hätte, dass viele Bauern die Milchproduktion aufgegeben hätten. Ob sich dieses Szenario wiederholen wird, hängt letztlich nicht nur vom Richtpreis ab, sondern vor allem auch von dem Preis, der von den Verarbeitern tatsächlich bezahlt wird.
Der «Schweizer Bauer» hat über die Thematik der Preissenkung berichtet:
- «Milchpreissenkung ist nicht tragbar»
- «Grosse Preisschere»: A-Richtpreis für Industriemilch sinkt
Zuviel um zu sterben, zuwenig um zu leben...