Im Berner Jura sorgt ein Wolf für mächtig Ärger. In der Nähe von Orvin hat das Raubtier Ende September fünf Ziegen getötet. Es handelt sich bereits um den dritten Angriff auf Nutztiere in der Region innert weniger Wochen.
Bauernverband wollte Abschuss schon im August
Ende Juli wurden auf dem Chasseral fünf Schafe gerissen und zwei so schwer verletzt worden, dass sie von ihrem Leiden erlöst werden mussten. Eine DNA-Analyse bestätigte später, dass es ein Wolf gewesen war. Die Tiere waren nicht «wolfssicher» eingezäunt, teilte das Jagdinspektorat Anfang August mit. In den Jahren zuvor hat es in dieser Region keine Wolfsrisse gegeben.
Mitte August hat gemäss dem Berner Bauernverband bei Corgémont ein Wolf ein Kalb aus einer Milchviehherde gerissen. Das Jungtier kam in der Nacht auf der Weide zur Welt. Es sei bereits nachweislich umhergelaufen und habe getrunken, teilte der Verband mit. Für den Berner Bauernverband (BEBV) war die Schadschwelle bereits damals erreicht. Der Kanton Bern sah das nicht so. Er erteilte keine Abschussverfügung. Das erzürnte den Berner Bauernverband. Der Entscheid sei «absolut unverständlich». Wolfsrisse müssten anerkannt und ernst genommen werden.
28 Schafe und Ziegen sowie ein Kalb
In den Gemeinden Courtelary, Corgémont, Orvin, Roches, Cormoret und Renan hat ein Wolf in den vergangenen Wochen gemäss Angaben des Kantons Bern «mutmasslich» 28 Schafe und Ziegen sowie ein neugeborenes Kalb gerissen.
Ende September hat ein Wolf im Kanton Neuenburg, nur wenige Kilometer von der Grenze zum Kanton Bern entfernt, ein Kalb auf einer Weide getötet. Bei einem anderen Angriff im Dorf Brot-Plamboz, 15 Kilometer von der Kantonshauptstadt entfernt, wurden fünf Schafe in einem Gehege gerissen.
Das Holstein-Kalb wurde vom Wolf übel zugerichtet.
Screenshot telebielingue.ch
«Belastung für Bauernfamilien untragbar»
Mit den jüngsten Rissen hat sich die Lage diesem Gebiet weiter verschärft. Für die Bauernfamilien sei die Belastung untragbar. «Sie leben in grosser Angst um ihre Tiere», heisst es in der Mitteilung des BEBV von Mittwoch. «Solange die Weidesaison anhält, wird sich das Problemtier nicht aufhalten lassen und weitere Nutztiere reissen», warnt der Verband.
Er fordert den Kanton auf, «Lösungen für Problemtiere» einzuleiten und das Tier im Jurabogen umgehend zum Abschuss freizugeben. In diesem Fall soll die Zusammenarbeit mit dem Kanton Neuenburg forciert werden. So könne der Abschuss rasch vollzogen werden.
Vorgaben zum Abschuss nicht erfüllt
Doch die Berner Behörden kommen dieser Forderung nicht nach. Ganz im Gegenteil: «Keines der Nutztiere war mit ausreichenden Herdenschutzmassnahmen gegen Wolfsangriffe geschützt», teilt die Wirtschafts-, Energie- und Umweltdirektion am Donnerstag mit.
Der Kanton kann Abschüsse erteilen, sobald das Abschusskontingent erreicht ist. In Gebieten mit früherer Wolfspräsenz zählen nur ausreichend geschützte Tiere zum Abschusskontingent für einen Einzelwolf. Für die Behörde sind die gesetzlichen Vorgaben «zum jetzigen Zeitpunkt» nicht erfüllt.
«Herdenschutzmassnahmen sind sowohl für ein Nebeneinander von Wolf und Nutztieren wie auch für Abschüsse von Wölfen eine grundlegende Voraussetzung», teilt die Umweltdirektion mit. Sie ruft die Nutztierhaltenden auf, dem «Herdenschutz grösste Aufmerksamkeit zu widmen» und die kostenlosen Beratungen des Kantons in Anspruch zu nehmen.
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