Bad Ragaz ist weit über die Grenzen der Schweiz hinaus bekannt. Das heilende Thermalwasser lockt jährlich Zehntausende Gäste in das St. Galler Rheintal. Das ehemalige Bauerndorf stieg dank der Quelle zum Kurort auf. Die Landwirtschaft hat trotz Tourismus, Gewerbe und Industrie ihren Platz in der Gemeinde verteidigt.
Offen für Neues
Rund zwei Kilometer vom Dorf entfernt bewirtschaften Urs Horni mit seiner Frau Andrina Bisaz und Sohn Norik einen Milchwirtschaftsbetrieb. Die rund 80 Kühe produzieren jährlich 750’000 Kilo Milch. Diese wird im nahen Landquart GR von Emmi zu Raclette verarbeitet. Daneben ist die Viehzucht ein weiterer Betriebszweig der Bauernfamilie. Jährlich werden 50 Jungkühe, vor allem der Rasse Holstein, verkauft. Auf den 26 Hektaren Land wachsen Gemüse, Silomais, Weizen und Kunstwiese. Auf dem Betrieb gedeiht aber seit mehreren Jahren eine Kultur, die in der Schweiz nicht verbreitet ist: Burgundertrüffel.
Die Idee, den Pilz zu kultivieren, brachte vor zehn Jahren ein Agronomiestudent der ETH Zürich auf den Hof. Gioele Fiori schrieb seine Bachelorarbeit zum Trüffelanbau. Er nahm eine Bodenprobe und schickte sie in ein Labor nach Frankreich ein. Das Resultat: Die Voraussetzungen für den Anbau von Trüffeln waren bei der Bauernfamilie dank des alkalischen Sandbodens ausgezeichnet. Doch die beiden hatten keine Ahnung von der Kultur. «Unser Wissen war unter null», sagt Urs Horni (54) und lacht. Doch vielleicht war es genau dieser Umstand, der die Familie dazu bewog, Neuland zu betreten. «Wir sind eigentlich immer für ein Experiment zu haben», führt Andrina Bisaz aus. Und es sei einmal etwas anderes als Kühe gewesen, fügt der passionierte Viehzüchter hinzu.
600 Setzlinge
Fiori stellte den Kontakt zu seriösen Baumschulen in Frankreich her. Die Bauernfamilie bestellte 600 mit Trüffelsporen geimpfte Setzlinge. Es waren dies Buchen, Eichen, Haselnüsse, Linden, Zedern und Föhren. Gepflanzt wurden sie im Frühling 2015 auf knapp einer halben Hektare. Trüffel sind Pilze, die ausschliesslich in Symbiose mit Wirtsbäumen vorkommen. An den Feinwurzeln gehen Pilz und Baum eine Verbindung ein – die Mykorrhiza. Dabei verwachsen die feinen Pilzfäden mit der Wurzelrinde und ermöglichen so einen Stoffaustausch zum beidseitigen Vorteil. Das Wissen rund um den Anbau und die Pflege der Bäume eigneten sich die beiden mehrheitlich selbst an.
«Für uns war es spannend, ob die Trüffel tatsächlich gedeihen. Es braucht eine grosse Portion Optimismus», hält die ausgebildete Tierärztin fest. Doch bis die erste Ernte eingefahren werden kann, dauert es so zwischen acht bis zehn Jahre. Und bis zu diesem Zeitpunkt gibt es eine Menge Arbeit. Der Einsatz von Maschinen war begrenzt. Denn hierbei besteht die Gefahr, dass die Wurzeln der Bäume verletzt werden.
Viel Handarbeit
Deshalb ist schliesslich viel Handarbeit gefragt. Doch auch Wildtiere gingen den jungen Bäumchen an den Kragen. «Die Mäuse fressen die Wurzeln, Hirsche und Rehe nehmen sich den Stamm vor», erklärt Andrina Bisaz. Deshalb mussten sie rund 80 Bäume neu pflanzen.
Die Plantage wird extensiv bewirtschaftet, die Anlage bietet Vögeln und Insekten einen Lebensraum. «Der Trüffel ist ein gewünschtes Nebenprodukt», sagt die 45-Jährige. Eine Trüffelplantage ist ein langfristiges Projekt. Sie hat insgesamt eine Lebenserwartung von 45 bis 50 Jahre.
Zu Beginn belächelt
Der Anbau von Trüffeln erfordert aber viel Vorleistung. Einerseits durch die Pflege, die die Anlage nach dem Pflanzen verursacht. Andererseits kommt der finanzielle Aspekt dazu. Die halbe Hektare kostete die Bauernfamilie rund 20’000 Franken. Der Grossteil entfällt auf die Setzlinge. Hinzu kommen Auslagen für Maschinen und Schutzrohre für die Bäume und Arbeiten durch Dritte. Zu Beginn seien sie schon belächelt worden, erklärt Andrina Bisaz.
Im Oktober 2022 wurden sie für die Mühen belohnt, der Blindflug nahm ein Ende. Erste Burgundertrüffel wurden geerntet. «Die Freude war riesig», blickt sie mit Stolz zurück. Ab Frühling 2023 nahmen die Erntemengen stetig zu. Ein Exemplar brachte gar unglaubliche 360 Gramm auf die Waage. «Das ist aber die grosse Ausnahme. Normalerweise wiegen sie zwischen 5 und 30 Gramm», sagt Urs Horni. 2023 ernteten sie rund 3,5 Kilo.
Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft
Heuer erwarten sie gegen 6 Kilo. Und der Ertrag soll weiter steigen. «Erst bei rund 10 Prozent der Bäume haben wir Trüffel geerntet. Experten gehen davon aus, dass der Ertrag 25 Jahre nach der Auspflanzung den Höhepunkt erreicht, bevor die Mengen dann langsam wieder sinken. Das Potenzial ist also bei Weitem noch nicht ausgeschöpft», erklärt Andrina Bisaz. Wenn alles nach Plan läuft, ist ein Ertrag von 10 bis 12 Kilo pro Jahr durchaus möglich.
Der Burgundertrüffel, der auch als «schwarzer Trüffel» bekannt ist, wächst beinahe das ganze Jahr über. Die Haupterntesaison in Bad Ragaz ist vor allem im Sommer, also von Juni bis September. «Weshalb das so ist, wissen wir auch nicht ganz genau», sagt Urs Horni. Die sogenannten Sommertrüffel sind ein wenig milder. Bis vor einigen Jahren galten die Burgundertrüffel und die Sommertrüffel als zwei verschiedene Trüffelarten. Doch die beiden Arten sind identisch. Der Burgundertrüffel ist lediglich die spätreifende Variante des Sommertrüffels. Entsprechend kräftiger ist er im Geschmack.
Preis als Herausforderung
Wichtige Helfer bei der Ernte sind Hündin Indy und ihr Sohn Taro. «Die Suche nach den Trüffeln haben wir ihnen selbst beigebracht. Für sie ist es ein Spiel», sagt Andrina Bisaz. Sie läuft mit den Hunden jeden Tag die Plantage ab. Derzeit erntet sie zwischen 10 bis 100 Gramm. Vor allem im Winter gebe es vielfach Tage, wo man aber nichts ernte, führt sie aus.
Da die Erntemengen gering sind, handelt es sich bei Trüffeln um ein Produkt im hochpreisigen Segment. Ein Kilo Schweizer Burgundertrüffel kostet rund 800 Franken. Doch das ist auch ein Problem. Denn Importware kostet lediglich 350 Franken. Weil sie noch nicht konstante Mengen liefern können, müssen potenzielle Abnehmer überzeugt werden. Das gelingt in der Regel gut.
Der Geruch der Trüffel ist fruchtig bis würzig.
zvg
Noch kein Marketing
«Unser regionaler, nachhaltiger Trüffel kommt an. Die Nachfrage übersteigt derzeit das Angebot deutlich», führt Urs Horni aus. Grössere Mengen kauft das Restaurant Schloss Maienfeld ab. Weil die Erntemengen noch nicht abschätzbar sind, haben sie noch kein Marketing betrieben. Künftig sollen über einen Instagram-Kanal Trüffel abgesetzt werden. Zudem können sie sich vorstellen, Führungen und Trüffel events zu organisieren. Auch die Herstellung eigener Produkte aus Trüffeln wäre eine Möglichkeit.
Sollten sie den Agropreis gewinnen, haben sie bereits eine Idee, wie sie das Preisgeld einsetzen würden. «Eine kleine Versuchsanlage mit weissen Trüffeln würde mich reizen», sagt Urs Horni lächelnd.
Nominierte Projekte
Für den Agropreis sind 4 Projekte nominiert. Neben dem Bio-Hummus sind es folgende 3 Projekte:
Wintertomaten: Wie er sich gegen Importe durchsetzt
Bio-Hummus: Mit Nebenprodukt neuen Markt geschaffen
Digitale Marktplattform: Bauernplattform vermarktet über 1’000 Produkte
Gebt Eurem Favoriten die Stimme. Nutzt das dazu Votingformular unterhalb des Kastens. Das Projekt mit den meisten Stimmen gewinnt an der Verleihung den Leserpreis in der Höhe von 3000 Franken. Und Ihr könnt ebenfalls tolle Preise gewinnen.
Liebe Grüsse Paul Gretener.
Ich gratuliere Euch ganz herzlich zum Mut und zur Umsetzung dieser tollen Idee die Euch Gioele Fiori auf den Hof gebracht hat ♥️ Mega das es so gut glückt
Ich wünsche euch noch ganze viele Kilo Trüffel
alles Liebe Maren
Liebe Grüsse, Monika Hämmig