Kennen Sie die Erfolgsgeschichten von Start-ups, die in einer Garage beginnen und sich zu einem Weltkonzern entwickeln? So weit wird es mit dem Projekt «D/clic terroirs» zwar nicht kommen, allein weil sich die landwirtschaftliche Genossenschaft der Regionalität verschrieben hat. Doch was den Charakter einer Start-Up-Firma angeht, steht sie den grossen Vorbildern in nichts nach.
Ein kleiner, garagenähnlicher Raum in Cernier NE dient als Logistikzentrale. Zwei einfache Tische bilden den Sortierbereich. Nur das selbstgedruckte A4-Blatt mit dem Firmenlogo an der Tür lässt erahnen, dass dahinter keine Traktoren stehen. D/clic terroirs ist ein kleines Team, aber mit grossen Zielen. Die sich dieses Jahr abzeichnende Verdoppelung des Umsatzes im Vergleich zum Vorjahr macht neugierig auf das, was in dieser Garage entsteht.
Über 1000 Regionalprodukte
D/clic terroirs ist eine Online-Vertriebsplattform für Regionalprodukte, die seit Januar 2022 online ist und sich ausschliesslich an gewerbliche Kunden (B2B) richtet. Auf der Plattform werden über 1’000 landwirtschaftliche Produkte aus der Region zusammengeführt, die von der lokalen Gastronomie und dem Detailhandel bestellt werden können.
Geht eine Bestellung mit verschiedenen Positionen ein, holt D/clic terroirs die Produkte bei den Produzenten ab, stellt daraus den Warenkorb zusammen und liefert diesen aus. Die Genossenschaft bearbeitet dabei nicht jede Bestellung einzeln. Sie sammelt die Bestellungen und holt die von verschiedenen Kunden bestellten Waren bei den einzelnen Produzenten ab. Cross-Docking nennt sich diese Dienstleistung in der Fachsprache. Es ist ein logistisches Verfahren, bei dem die Waren ohne Zwischenlagerung, aber mit zentraler Kommissionierung, direkt vom Lieferanten zum Kunden transportiert werden.
Alles aus einer Hand
D/clic terroirs ist kein Grossist, sondern Vermittler und Dienstleister. Die Produzenten erfassen ihre Produkte auf der Plattform selbst und bestimmen auch den Verkaufspreis, den sie jederzeit ändern können. Die Genossenschaft erhebt darauf eine nach eigenen Angaben «sehr wettbewerbsfähige» Marge. Die Geschäftskunden stellen sich aus dem riesigen Angebot ihren Warenkorb zusammen. Den Rest erledigt die Genossenschaft.
Denn D/clic terroirs bietet nicht nur jene logistische Dienstleistung an. Sie übernimmt auch den Kundendienst, die Rechnungstellung, die Debitorenverwaltung, das Inkasso und die Auszahlung an die Produzenten.
Statt wie bisher mehrere Geschäftsbeziehungen zu pflegen kann der Geschäftskunde nun alles aus einer Hand beziehen und profitiert gleichzeitig von einer grossen Auswahl an Regionalprodukten. Und die Produzenten erschliessen sich mit dem stetig wachsenden Kundenpool von D/clic terroirs neue Absatzmärkte.
Kurze Wege
Entstanden sind die Genossenschaft und die Plattform «D/clic terroirs» im Rahmen eines Projektes zur regionalen Entwicklung (PRE), das von Kanton und Bund unterstützt und 2026 auslaufen wird. Ein Ziel des PRE Val-de-Ruz ist es, das Angebot an Regionalprodukten zu erweitern und kurze Wege zu entwickeln. «Dank der zentralisierten Logistik können wir zurzeit pro Monat 1,5 Tonnen CO2 einsparen», sagt das ehemalige Vorstandsmitglied Guillaume de Tribolet.
Die Genossenschaft zählt rund 70 Mitglieder, mehrheitlich Bäuerinnen und Bauern aus dem Jurabogen. Unterstützt wird sie von regionalen Institutionen, wie der Neuenburger Landwirtschaftskammer, Gastro Neuchâtel, dem Verein Naturpark Chasseral und Neuchâtel Vins et Terroir. Geleitet wird D/clic terroirs von einem 5-köpfigen Vorstand und einem kleinen Team, das sich drei Vollzeitstellen teilt.
Betriebsrestaurants als Kunden
Zu den rund 50 gewerblichen Kunden, die sie derzeit beliefern, gehören lokale Lebensmittelgeschäfte, Hofläden, Restaurants, aber auch mehrere Betriebsrestaurants. Zu den Lieferanten gehören neben den Landwirten auch Verarbeiter landwirtschaftlicher Produkte, wie Käser, Metzger, Brenner, Müller oder Bäcker.
Beispiele für vermarktete Produkte:
> Gruyère AOP von der Fromagerie des Reussilles SA aus Les Reussilles BE
> Fondue Moitié-Moitié der Dorfkäserei Chézard-St-Martin aus Cernier NE
> Breusi (getrocknetes Rindfleisch) von der Metzgerei Boucher de campagne aus Grandval BE
> Getrocknetes Hirschfleisch von Boucherie Traiteur Pellet aus St.Imier BE
> Kirschschnaps von der Distillerie de l'Échelett e aus Orvin BE
> Bio-Weizenmehl der Moulin de Valangin aus Valangin NE
> Hirsemehl von Les Graines de l'Ami Luron aus Montmollin NE
> Bauernbrot der Boulangerie la Gourmandise aus Boudevilliers NE
> Gemüse von der Biogarten Seeland AG aus Ried bei Kerzers FR.
Zu Beginn beschränkte sich das Einzugsgebiet von D/clic terroirs auf den Neuenburger Bezirk Val-de-Ruz. Seit Ende letzten Jahres pflegt die Genossenschaft auch Beziehungen im Berner Jura und im Seeland. «Eine grosse Herausforderung für uns war es, ernst genommen zu werden und das Vertrauen zu gewinnen», erinnert sich Vorstandsmitglied Danielle Rouiller. Doch diese anfängliche Skepsis wich, als die Produzenten erkannten, dass ihnen mit D/clic terroirs auch ein neuer Kundenkreis erschlossen wird.
Ein weiteres wichtiges Anliegen der Genossenschaft ist es, keine Produktionsweise zu fördern oder zu vernachlässigen. Sowohl Bioprodukte als auch konventionell hergestellte Produkte haben bei D/clic terroirs denselben Stellenwert. 30% der angebotenen Produkte tragen das Label Biosuisse, 80% der Produkte sind mit dem Label regio.garantie ausgezeichnet.
Marktgerecht produzieren
Eine Schlüsselrolle kommt Sébastien Maire zu. Als Aussendienstmitarbeiter kennt er sowohl das Angebot als auch die Nachfrage. Eine solche erkannte er bei einem Personalrestaurant. Dieses hatte ihre Joghurts immer ausserkantonal eingekauft, weil in der Region niemand Joghurt im 100-Gramm-Becher anbot. Also setzte sich Maire mit Käsereien – alles Mitglieder der Genossenschaft – zusammen und schlug ihnen vor, ein neues Angebot zu schaffen. Dies mit der Garantie, eine grosse Menge davon absetzen zu können.
Eine dieser Käsereien produziert nun Joghurt nicht nur in der üblichen Bechergrösse von 180 Gramm, sondern auch in der gewünschten kleineren Grösse. Heute beliefert D/clic terroirs das Betriebsrestaurant wöchentlich mit 600 Joghurts. Eine Konkurrenz zu bestehenden lokalen Strukturen schafft sie aber nicht «Wir wollen die kleinen Geschäfte nicht konkurrenzieren, sondern sie beim Verkauf regionaler Produkte unterstützen», bemerkt Rouiller.
Nachfrage und Angebot verbinden
Welche Landwirtin, welcher Käser träumt nicht davon, das Personalrestaurant der grossen Fabrik im Dorf beliefern zu dürfen, das jeden Wochentag das Mittagessen für Hunderte von Angestellten zubereitet? Auf diesen grossen Markt der Gemeinschaftsgastronomie will sich D/clic terroirs in den nächsten drei Jahren konzentrieren. Denn auch wenn die Umsatzzahlen in die Höhe schiessen, ist die Genossenschaft noch auf finanzielle Unterstützung angewiesen.
Um wirtschaftlich arbeiten zu können ist die Genossenschaft auf solche Grosskunden angewiesen, durch die sie auch vielen kleinen und mittleren Produzenten der Region einen neuen Markt eröffnen. «Wir sind überzeugt, dass wir die Struktur bieten, um die regionale Landwirtschaft mit der Gemeinschaftsgastronomie zu verbinden», sagt de Tribolet.
Ein allfälliges Preisgeld würde D/clic terroirs in die anstehende Weiterentwicklung der Online-Plattform investieren. Diese soll es ermöglichen, landwirtschaftliche Produkte, die von den Grossverteilern abgelehnt werden, wie zum Beispiel krumme Karotten, anzunehmen und der Gemeinschaftsgastronomie zur Verfügung zu stellen.
Nominierte Projekte
Für den Agropreis sind 4 Projekte nominiert. Neben der Plattform D/clic sind es folgende 3 Projekte:
Wintertomaten: Wie er sich gegen Importe durchsetzt
Bio-Hummus: Mit Nebenprodukt neuen Markt geschaffen
Burgundertrüffel: Bis zum Erfolg brauchte es viel Geduld
Gebt Eurem Favoriten die Stimme. Nutzt das dazu Votingformular unterhalb des Kastens. Das Projekt mit den meisten Stimmen gewinnt an der Verleihung den Leserpreis in der Höhe von 3000 Franken. Und Ihr könnt ebenfalls tolle Preise gewinnen.
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