Das Berner Aaretal zwischen Bern und Thun ist prädestiniert für die Landwirtschaft. Das Gebiet ist meist topfeben, die Böden sind sehr fruchtbar. Doch die Siedlungen breiten sich immer mehr aus, Jahr für Jahr geht wertvolles Kulturland verloren. Doch der Bauboom bietet auch Chancen. Eine davon will die Familie Gfeller nutzen.
Mehrere Standbeine
Der nach Knospe-Richtlinien bewirtschaftete Betrieb umfasst 35 Hektaren Landwirtschaftsland. Angebaut werden unter anderem Zuckerrüben, Weizen, Speisesoja und Futtermais. Neben dem Ackerbau bildet die Mutterkuhhaltung ein weiteres Standbein. Rund 30 Tiere der Rassen Limousin, Simmental und Angus leben auf dem Schweikhof. Mit der Direktvermarktung wird die Wertschöpfung erhöht. Die Standbeine haben sich die Gfellers aufgeteilt. Den Landwirtschaftsbetrieb führt Matthias Gfeller. Stefanie Gfeller kümmert sich um den Hofladen und betreibt diesen in Eigenregie.
Sie kauft Produkte vom Landwirtschaftsbetrieb ab, indirekt auch Bio-Speisesoja, die ihr Mann seit vier Jahren auf 3 bis 4 Hektaren anbaut. Ein Teil der Ernte wird von Katrin Portmann in Trimstein BE zu Tofu verarbeitet. Das Produkt bietet Stefanie Gfeller in ihrem Hofladen an. Bei der Produktion von Tofu fällt mit dem Okara ein Nebenprodukt an. Und nicht zu wenig. Bei der Herstellung eines Kilos Tofu entsteht ein Kilo Okara. Das aus Schalenbestandteilen der eingeweichten Sojabohne bestehende Nebenprodukt ist sehr eiweissreich. Der allergrösste Teil des geschmacksneutralen Okara wird an Tiere verfüttert oder in die Energiegewinnung überführt.
Kreisläufe schliessen
Stefanie Gfeller wollte das ändern. «Wer Tofu konsumiert, soll auch Okara essen. Es ist schade, so ein wertvolles Lebensmittel nicht zu nutzen. Wir sollten Kreisläufe schliessen», sagt sie. Das Problem: Okara, das eine Konsistenz wie grobes Mehl aufweist, ist nur zwei Tage haltbar. Mit dem Pasteurisieren kann die Frist auf eine Woche verlängert werden. Im Oktober 2023 suchte sie deshalb nach Lösungen. Zusammen mit Köchin Priska Wyss, die seit 2018 in einem Teilzeitpensum im Hofladen mitarbeitet, ging es ans Tüfteln.
Die beiden ergänzen sich gut. «Priska bringt das Wissen aus der Küche mit. Als Bäuerin steuere ich die Kenntnisse des Einmachens bei», erzählt die 40-Jährige. Die grösste Schwierigkeit lag auch hier bei der Haltbarkeit. Anfang 2024 gelang ihnen der Durchbruch. Sie hatten ein Rezept für einen Hummus entwickelt. «Obwohl im asiatischen Raum Okara verbreitet zu Lebensmitteln verarbeitet wird, hat es hierzulande noch niemand geschafft, eine Rezeptur zu f inden, die ein Produkt attraktiv und auch haltbar macht», sagt die ausgebildete Schriftenmalerin nicht ohne Stolz. Die Haltbarkeit beträgt derzeit vier Monate, das wurde von einem akkreditierten Labor bestätigt. Das Ziel sind sechs Monate.
Aufklärungsarbeit wichtig
Mit dem Hummus aus einheimischer Biosoja hat Stefanie Gfeller ein Alleinstellungsmerkmal geschaffen. Denn normalerweise wird Hummus mit importierten Kichererbsen hergestellt. «Mit dem Weiterverarbeiten des Okara aus lokaler Produktion halten wir die Transportwege kurz. Wir verwenden keine Stabilisatoren und chemische Zusatzstoffe. Wir reduzieren die Lebensmittelverschwendung. Und zu guter Letzt folgen wir dem Trend hin zu mehr pflanzlicher Ernährung», führt die Bernerin aus. Ihr Bio-Hummus passe hervorragend in den Zeitgeist, findet sie. Doch schmeckt das Produkt aus dem Hause Gfeller? Dies galt es zu testen.
Haben das Hummus-Rezept entwickelt: Stefanie Gfeller (l.) und Priska Wyss
zvg
An der Berner Frühjahrsmesse BEA in Bern im Mai dieses Jahres durften sie ihr Produkt mit einem Stand beim Amt für Landwirtschaft vorstellen. «Wir merkten rasch: Die meisten Besucherinnen und Besucher wussten nicht, was Okara ist. Deshalb ist Aufklärungsarbeit so wichtig», erzählt die Mutter von zwei Kindern. Die Rückmeldungen des Publikums seien aber äusserst positiv ausgefallen.
Produktion hochfahren
Das war der Startschuss, um die Produktion aufzunehmen. Derzeit werden monatlich 72 Glas à 170 Gramm hergestellt. Dazu werden 4 Kilo Okara benötigt. Verkauft wird der Hummus im eigenen Hofladen. Dazu werden fünf weitere Hofläden sowie ein Geschäft in der Berner Altstadt beliefert. Produziert wird das Produkt derzeit im Produktionsraum des Hofladens. Ziel ist es jedoch, die Mengen kontinuierlich zu steigern. Stefanie Gfeller hat sich zum Ziel gesetzt, Ende Jahr die Produktion auf rund 900 Gläser pro Monat hochzufahren. Das wären rund 50 Kilo Okara wöchentlich. Die Kapazitäten auf dem Betrieb wären vorhanden.
Auch wirtschaftlich ist das Produkt interessant. Ein kostengünstiges Nebenprodukt wird in Wert gesetzt. Ein Glas Hummus wird für 5.80 Franken verkauft. «Wir können mit einem konkurrenzfähigen Preis am Markt agieren», sagt die Unternehmerin. Doch zuerst gilt es, den Markt zu beackern und Kunden zu akquirieren. «Hier bin ich ganz am Anfang», führt sie aus. Sie hat erste Gespräche mit potenziellen Abnehmern geführt. Sie kann sich vorstellen, dass ihr Produkt gut in einen LandiLaden passen würde. Auch bei den Rüedu-Hofläden, die sich vor allem im städtischen Raum befinden, sieht sie Potenzial. Das Unternehmen beliefert sie bereits mit Züpfe.
Eigene Marke
Ein erster Schritt für die professionelle Vermarktung ist umgesetzt. Stefanie Gfeller hat eine Marke, «Klara Okara», kreiert und auch schützen lassen. Das Rezept liess sich hingegen nicht schützen. «Es bleibt ein Betriebsgeheimnis», stellt sie klar. Die kantonale Organisation «Bern ist Bio» half ihr dabei, eine detailhandelskonforme Etikette zu erarbeiten. «Dabei gilt es, einiges zu beachten», führt sie aus. Beim Erstellen des Businessplans kann sie auf die Hilfe der Familie zählen.
Mittelfristig hat sie sich zum Ziel gesetzt, wöchentlich 200 Kilo Okara zu verarbeiten. Das sind rund 3600 Gläser. Die Produktion auf dem eigenen Betrieb wäre nicht mehr möglich. In diesem Fall würde sie die Fabrikation zu Transfair nach Thun auslagern. Die Organisation bietet Menschen, die vorwiegend aus psychischen Gründen besonders herausgefordert sind, einen angepassten Arbeitsplatz und damit eine geordnete Tagesstruktur sowie gesellschaftliche Anteilnahme.
Grosses Potenzial
Das Potenzial für den Hummus schätzt sie hoch ein. Allein im Kanton Bern würden jährlich Dutzende Tonnen Okara anfallen. Doch eine Grossproduzentin will sie nicht werden. «Wir sind Urproduzenten», hält sie fest. Viel eher will sie unter der Dachmarke «Klara Okara» weitere Produkte ins Sortiment aufnehmen. «Eine Idee ist beispielsweise, Nuggets aus Okara zu produzieren», sagt Stefanie Gfeller.
Sollte sie den Agropreis gewinnen, würde sie das Preisgeld vor allem ins Marketing investieren. «Wir müssen den Namen ‹Klara Okara› bekannt machen», sagt sie und lächelt.
Nominierte Projekte
Für den Agropreis sind 4 Projekte nominiert. Neben dem Bio-Hummus sind es folgende 3 Projekte:
Wintertomaten: Wie er sich gegen Importe durchsetzt
Burgundertrüffel: Bis zum Erfolg brauchte es viel Geduld
Digitale Marktplattform: Bauernplattform vermarktet über 1’000 Produkte
Gebt Eurem Favoriten die Stimme. Nutzt das dazu Votingformular unterhalb des Kastens. Das Projekt mit den meisten Stimmen gewinnt an der Verleihung den Leserpreis in der Höhe von 3000 Franken. Und Ihr könnt ebenfalls tolle Preise gewinnen.
Wir waren letztes Jahr nominiert und haben viel daraus gelernt 😉
Alles Gute wünscht Euch das Schütz-Hof Team