Dominic Spahr (30) ist Landwirt und stellt sich der Herausforderung eines Agronomiestudiums. Alle zwei Wochen berichtet er, was er an der Hafl erlebt und was sonst so in seinem Leben passiert. Dieser Blog-Teil widmet sich einer komplizierten Beziehung.
Als ich sie das erste Mal angetroffen habe, war ich noch ein junger Schnösel am Anfang meines schulischen Werdegangs. Wir hatten nichts gemeinsam und ich verstand nur wenig von ihrem Wesen. Ich mochte sie nicht, sie mochte mich nicht und ich wollte möglichst wenig mit ihr zu tun haben. Doch unsere Wege kreuzten sich immer wieder und ich lernte sie langsam kennen.
Zwei Jahrzehnte später ist sie immer noch ein Teil meines Lebens und wir mögen uns immer noch nicht. Sie ist übelst kompliziert, hat überhaupt keinen Humor und ist extrem stur. Sie lässt nicht mit sich verhandeln und spricht nur in Rätseln. Das Schlimmste aber ist, dass sie mir fast täglich das Gefühl gibt, ein vollkommener Idiot zu sein.
Bewunderung und der Wunsch, sie zu verstehen
Und trotzdem bewundere ich sie und möchte sie verstehen. Denn sie ist perfekt. Sie ist logisch, gerecht und liegt immer richtig. Sie baut Wege und Brücken und hat schon unzähligen Menschen geholfen, Grosses zu erreichen. Die Rede ist natürlich von der Mathematik. Und ich mag sie wohl deshalb nicht, weil ich vielleicht wirklich ein bisschen zu blöd bin, um sie zu verstehen.
Im kürzlich begonnenen Semester habe ich mich für fünf Module eingeschrieben. Davon bauen drei mehr oder weniger direkt auf Mathematik auf. Als «Quantitative und Analytische Methoden für Agrarwissenschaften» oder «Einführung in Data Science» getarnt, schleicht sie sich in den Stundenplan und macht sich dort breit.
Wo der Spass aufhört
«Wozu soll ich das lernen, das werde ich eh nie brauchen.» Diesen Satz habe ich schon oft gehört und gesagt. In einigen Fällen hat sich das bewahrheitet und in anderen wäre ich froh gewesen, wenn mein früheres Ich die Tragweite dieser Materie vor Augen gehabt hätte. Grundlageoperationen, Geometrie und Bruchrechnen ging noch gar nicht so schlecht, bei Algebra wurde es schwierig und spätestens bei Integralrechnungen und n-dimensionalen Vektoradditionen, womit ich mich jetzt herumschlagen muss, hört der Spass auf.
Zum Beispiel Dudelsack
Natürlich ist es eine faule Ausrede, zu behaupten, ich wäre einfach zu dumm für die Mathematik, während ich kaum Zeit investiere, sie zu erlernen. Auch die Frage nach dem Sinn, diese zu beherrschen, erübrigt sich. Schliesslich kann von den Studierenden erwartet werden, dass sie so etwas können. Jedoch kommt mir der Aufwand dafür enorm vor. Es gleicht etwa dem Erlernen einer Sprache oder dem Meistern eines Instrumentes. Ein Instrument, das ich nicht einmal gerne höre. Ein Dudelsack zum Beispiel.
Prüfungsresultate
Was ist sonst noch so passiert? Die Prüfungsergebnisse sind Anfang März aufgeschaltet worden. Fünf von sieben Prüfungen habe ich bestanden. Die zwei bei denen der Erfolg ausfiel sind Betriebswirtschaft und – wer hätte es gedacht – Mathematik. Ich werde mich also im Herbst noch mal in den Prüfungssaal begeben müssen, womit ich aber eigentlich gerechnet habe. Ich werde bei den nächsten Prüfungen einfach damit rechnen, keine wiederholen zu müssen.
Wie es mir bis dahin ergeht, ich werde es euch berichten. Bis dahin macht es gut und häbet Sorg.
Teil7: Neue Frisur und ein ungeheurer Schatten - Schweizer Bauer
Teil 6: «Ich gehe fürs Klima in die Schule, statt sie zu schwänzen» - Schweizer Bauer
Teil 5: Vom Prüfungspult auf die Piste
Teil 4: Prüfungsstress und Zeitmanagement
Teil 3: «Jahr beginnt für mich mit Corona»
Teil 2: Vom Traktor in den Hörsaal
Teil 1: Neuanfang an der Hochschule