Hochdorf geht es schon länger schlecht. Vor allem hohe Schulden in Folge von Fehlinvestitionen lasten auf dem Unternehmen. Das Management ist daher schon länger auf der Suche nach einem Käufer. Die immer noch laufenden Bemühungen waren bisher aber nicht von Erfolg gekrönt.
Von 1 auf 11 Franken
Zuletzt hatte sich Hochdorf nur noch auf den Verkauf der operativen Tochtergesellschaft Swiss Nutrition (HSN) konzentriert, da ein Verkauf der ganzen Gruppe inklusive Schulden als unwahrscheinlich erachtet wurde. Im Fall eines Teilverkaufs droht den bestehenden Aktionären jedoch ein Totalverlust.
Die Aktien von Hochdorf brachen daher zuletzt regelrecht ein und kosteten bis vor einer Woche nur noch etwas mehr als einen Franken. Zur Einordnung: 2017 waren sie noch über 300 Franken wert.
Just in diesem Moment stieg die italienische Lebensmittelgruppe Newlat als neuer Grossaktionär bei Hochdorf ein. Dabei kaufte Newlat dem bisherigen Investor Bermont Investments offenbar sein Aktienpaket über knapp 11 Prozent ab. Nach Bekanntwerden des Einstiegs schoss der Aktienkurs von Hochdorf in die Höhe und er steht am Freitagnachmittag wieder knapp 11 Franken.
Verwaltungsrat austauschen
Was zunächst nach einer Rettung in Not aussah, könnte sich rückblickend als Anfang einer «feindlichen Übernahme» herausstellen. Denn bereits am Freitag legte Newlat nach: Der Konzern beantragt, dass an der in zwei Wochen stattfindenden Generalsversammlung der gesamte Verwaltungsrat mit eigenen Kandidaten ersetzt wird. Als Verwaltungsratspräsident wird Angelo Mastrolia vorgeschlagen, der auch exekutiver Präsident von Newlat ist.
Newlat Food
Newlat Food entstand 2004. Das Kerngeschäft liegt in der Landwirtschaft und Ernährungsbranche. Das Unternehmen zählt nach eigenen Angaben zu den wichtigsten Produktionsfirmen Italiens. Newlat ist mit den Marken in den Bereichen Molkereiprodukte, Teigwaren und Backwaren sichtbar. Newlat beschäftigt 1500 Mitarbeitende und verfügt unter anderem über 5 Werke im Bereich Teigwaren, über 7 Werke im Bereich Milchverarbeitung und über ein Werk im Bereich Babynahrung. Die Produktionskapazität liegt bei 450’000 Tonnen Milch und 430’000 Tonnen Pasta. Die Werke befinden sich in Italien (14), Grossbritannien (4), Deutschland (1) und Frankreich (1).
Laut Mastrolia braucht Hochdorf einen «radikalen» Wechsel in der Unternehmensstrategie. In einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur AWP stellte er sich insbesondere gegen die Verkaufspläne der Tochter HSN. Gleichzeitig zeigte er sich offen für verschiedene Optionen bezüglich der zukünftigen Beteiligung von Newlat an Hochdorf, was auch eine vollständige Übernahme mit einschliesst.
In Schweiz noch nicht aktiv
Der Verwaltungsrat von Hochdorf prüfe nun alle Anträge der Aktionäre und werde «zu gegeben Zeit» Stellung nehmen, heisst es weiter. Der Prozess der Gespräche mit potenziellen Käufern laufe zudem unverändert weiter. Laut Mitteilung sind noch keine Entscheide diesbezüglich gefallen.
Eine Übernahme von Hochdorf würde durchaus zum bestehenden Portfolio von Newlat passen. So macht Newlat etwa ein Drittel seines Jahresumsatzes von knapp 800 Millionen Euro mit Milchprodukten. In der Schweiz ist das Unternehmen bisher aber nicht operativ aktiv.
Auf angeschlagene Firmen spezialisiert
Auch in anderer Hinsicht entspricht Hochdorf dem Beuteschema von Newlat. Bereits in der Vergangenheit hatte das erst 2004 gegründete Unternehmen angeschlagene Traditionsfirmen im Lebensmittelsektor aufgekauft. Zunächst war Newlat nur in Italien aktiv. 2014 expandierte der Konzern dann ins Ausland, indem es den von verschiedenen Skandalen erschütterten Nudelproduzenten Birkel in Deutschland übernahm.
Zuletzt bekundete Newlat auch Interesse an der britischen Lebensmittel- und Getränkegruppe Princess, die ebenfalls tief in den roten Zahlen steckt. Das Angebot zog Newlat jedoch vorerst wieder zurück, da der geforderte Preis als zu hoch erachtet wurde.
Die 1895 gegründete Hochdorf ist spezialisiert auf Pulvertrocknung und Mischtechnologie für milchbasierte und alternative Proteine.
Hochdorf
ZMP prüfen Antrag
Vertreter der Schweizer Milchbranche und andere bedeutende Hochdorf-Aktionäre wollten sich bisher nicht zu den Avancen von Newlat äussern. Der Verband der Schweizer Milchproduzenten (SMP) betonte lediglich, dass «SMP und alle Schweizer Milchproduzenten daran interessiert sind, dass Hochdorf in der Schweiz weiterhin viel Milch zu guter Wertschöpfung verarbeitet und vermarktet.» Da die Sanierung noch weiter laufe, sei es für eine Bilanz noch zu früh.
Die Zentralschweizer Milchproduzenten (ZMP), die 18 Prozent der Anteile an Hochdorf halten, wollten sich auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP noch nicht zum Antrag von Newlat äussern. Diesen habe ZMB zunächst zur Kenntnis genommen und er werde nun ausführlich geprüft, hiess es.
Newlat verfolgt strategische Interessen
Bekannt wurde das Engagement von Newlat durch eine Offenlegungsmeldung der Schweizer Börse vom Dienstag. Demnach hat Newlat knapp 11 Prozent an Hochdorf gekauft. Das italienische Unternehmen, das an der Mailänder Börse kotiert ist und etwas über 793 Millionen Euro (776 Mio. Fr.) Umsatz im Jahr macht, verfolgt mit der Beteiligung an Hochdorf strategische Interessen.
Newlat sagte am Dienstag gegenüber der Nachrichtenagentur AWP, dass das Geschäft von Hochdorf «natürlich komplementär» mit der eigenen Specialised-Nutrition-Geschäftseinheit sei, welche gemäss eigenen Angaben die einzige Säuglingsmilchpulverfabrik in Italien betreibt. Hochdorf wiederum stellt hauptsächlich Milchpulver und Babynahrung her. In der Schweiz ist die Marke Bimbosan bekannt.
Verkaufsabsichten Anfang März bekanntgegeben
Anfang März gab Hochdorf bekannt, dass es einen Verkauf anstrebt. Zur Debatte stünden verschiedene Optionen. Der Fokus liege auf einem Verkauf oder Teilverkauf, wobei der Zusammenhalt des operativen Geschäfts angestrebt werde, hiess es damals.
Hochdorf verfüge über ein tragfähiges Geschäftsmodell – das habe die positive operative Entwicklung der vergangenen zwei Jahre bestätigt, hiess es weiter. Management und Verwaltungsrat werden «gemeinsam alles daransetzen, dass das Geschäft auf einer nachhaltigen finanziellen Grundlage weitergeführt und die Arbeitsplätze erhalten werden können».
ZMP zweitgrösster Aktionär
Die Zentralschweizer Milchproduzenten (ZMP) sind ein gewichtiger Aktionär der Hochdorf Holding. Über die ZMP Invest AG besitzen die ZMP knapp 18 Prozent der Gruppe. Hinter Amir Mechria (20,7%), dem Chef des Zuger Babynahrungsherstellers und Hochdorf-Grosskunden Pharmalys, sind sie damit zweitgrösster Aktionär. Die ZMP sind zudem Mehrheitsaktionär der Emmi (53 Prozent).
Weitere grössere Aktienpakete an Hochdorf halten der Bermont Master Fund (CI) LP aus Georgetown auf den Cayman Islands mit 14,55% und die Innovent Holding AG, M. Weiss & Co AG und Familie Weiss aus Wollerau SZ. Neu stösst nun die Newlat-Gruppe hinzu.
Dann kommt es soweit.
Obs mit den Italiener besser kommt, wird man sehen.