Die meisten Landwirtinnen und Landwirte haben vor allem einen grossen Wunsch: Sie möchten vor allem von den Produzentenpreise leben können. In den vergangenen Wochen haben sich mit zahlreichen Kundgebungen auf die oft nicht kostendeckenden Preise hingewiesen.
Petitionen und Realität
Der Schweizer Bauernverband hat den grossen vier Detailhändler eine Petition überreicht. Darin wird unter anderem gefordert, dass die Produzentenpreise um 5 bis 10 Prozent angehoben werden. Bewegungen wie «Révolte agricole Suisse» oder «Bauern für Euch» wollen auch beim Handel ansetzen. «Wir nehmen die Detailhändler ins Visier», sagte Christian Hofmann von «Révolte agricole Suisse» im Interview mit «Schweizer Bauer». Der Vorschlag von «Révolte agricole Suisse» sieht vor, dass die Detailhändler 0,738% ihres Umsatzes vom tertiären Sektor zum primären Sektor übertragen. Das wären 500 Millionen Schweizer Franken.
Doch die Forderungen dürften sich nur schwer umsetzen lassen. Der Richtpreis für industrielle Molkereimilch im A-Segment wird Anfang Juli um 2,5 Rappen auf 81,5 Rappen je Kilo steigen , fixiert bis Ende 2024. Das entspricht einer Erhöhung von etwas mehr als 3 Prozent.
Hans Jörg Rüegsegger will die Position der Bauern verbessern.
Daniel Salzmann
«Echte Chance für faire Preise»
Nun soll die Politik die Position der Landwirtinnen und Landwirte stärken. Dies fordert die Motion von Hans Jörg Rüegsegger (SVP/BE). In seinem Vorstoss «Kooperationsmöglichkeiten für Produzentinnen und Produzenten - schaffen mehr Transparenz und faire Preise» will er den Bauern ermöglichen, gegenüber der hochkonzentrierten Abnehmerseite eine «Gegenmacht» aufbauen zu können. So würden die Produzenten eine echte Chance für die Erzielung fairer Preise erhalten, schreibt der Meisterlandwirt in seiner Motion.
Gemäss Rüegsegger erachten 70% der Bäuerinnen und Bauern die Agrarmärkte als zu wenig nachhaltig. Sie seien nicht mehr bereit, die aktuelle Situation hinzunehmen. Der Berner Nationalrat bezieht sich dabei auf eine Umfrage.
Kartellgesetz verhindert Kooperation
Rüegsegger hat vor allem die Marktstruktur im Visier. Das Ungleichgewicht zwischen Abnehmern und Bauern führte zu Preisdruck. Beim Brot liege der Anteil des Produzenten bei nur noch bei 7 Prozent. «Viele Anbieter stehen heute im Wesentlichen Migros und Coop gegenüber, die über rund 80% Marktanteile verfügen», schreibt Rüegsegger. Deren Verhandlungsmacht und Wertschöpfungsanteile würden laufend zunehmen.
Rüegsegger will nun mit seiner Motion den Bundesrat beauftragen, im Landwirtschaftsgesetz eine Regelung für Kooperationsmöglichkeiten von Produzentinnen und Produzenten zu schaffen. Wegen dem Kartellgesetz sei dies heute nicht möglich.
Unterstützung parteiübergreifend
Der Vorstoss von Hans Jörg Rüegsegger erhält parteiübergreifend Unterstützung. Mitunterzeichnende sind Christine Badertscher (BE), Kilian Baumann (BE), Sophie Michaud Gigon (VD) und Aline Trede (BE) von den Grünen, Simone de Montmollin (GE) von der FDP, Andreas Gafner (BE) von der EDU, Melanie Mettler (BE) von den Grünliberalen, Martin Haab (ZH), Martin Hübscher (ZH), Thomas Knutti (BE) Jacques Nicolet (VD), Nadja Pieren (BE), Katja Riem (BE), Thomas Stettler (JU) und Ernst Wandfluh (BE) von der SVP, Martina Munz (SH) und Andrea Zryd (BE) von der SP sowie Pius Kaufmann (LU) und Markus Ritter (SG) von der Mitte.
EU hat eine solche Regelung
Rüegsegger sieht aber Migros und Coop als relativ marktmächtig im Sinne des Kartellgesetzes an (Art. 4 Abs. 2bis). Damit sich die Landwirtinnen und Landwirte eine echte Chance haben, erachtet er Massnahmen zum Aufbau einer «Gegenmacht» als unausweichlich. Mit seiner Motion verspricht er sich bessere Preise bei den Hauptmärkten Milch und Fleisch, aber auch beim Getreide.
Rüegsegger untermauert seinen Vorstoss mit einem Blick auf die Regelung in der EU. Den Produzenten werden bis zu einem Volumen von 33% der gesamten Produktion «gewisse kartellrechtlich unzulässige Kooperationsmöglichkeiten» zugestanden, damit sie gegen die hoch konzentrierte Abnehmerseite eine «Gegenmacht» aufbauen können.
Kartellgesetz
1 Als Wettbewerbsabreden gelten rechtlich erzwingbare oder nicht erzwingbare Vereinbarungen sowie aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen von Unternehmen gleicher oder verschiedener Marktstufen, die eine Wettbewerbsbeschränkung bezwecken oder bewirken.
2 Als marktbeherrschende Unternehmen gelten einzelne oder mehrere Unternehmen, die auf einem Markt als Anbieter oder Nachfrager in der Lage sind, sich von andern Marktteilnehmern (Mitbewerbern, Anbietern oder Nachfragern) in wesentlichem Umfang unabhängig zu verhalten.
2bis Als relativ marktmächtiges Unternehmen gilt ein Unternehmen, von dem andere Unternehmen beim Angebot oder bei der Nachfrage einer Ware oder Leistung in einer Weise abhängig sind, dass keine ausreichenden und zumutbaren Möglichkeiten bestehen, auf andere Unternehmen auszuweichen.
3 Als Unternehmenszusammenschluss gilt:
a. die Fusion von zwei oder mehr bisher voneinander unabhängigen Unternehmen;
b. jeder Vorgang, wie namentlich der Erwerb einer Beteiligung oder der Abschluss eines Vertrages, durch den ein oder mehrere Unternehmen unmittelbar oder mittelbar die Kontrolle über ein oder mehrere bisher unabhängige Unternehmen oder Teile von solchen erlangen.
EU-Verordnung
Art. 128 Damit eine rentable Entwicklung der Erzeugung und auf diese Weise ein angemessener Lebensstandard der Milchbauern sichergestellt wird, sollte ihre Verhandlungsmacht gegenüber den verarbeitenden Betrieben gestärkt werden, was wiederum zu einer gerechteren Verteilung des entlang der Wertschöpfungskette entstehenden Mehrwerts führen sollte. Im Sinne der Erhaltung eines tatsächlichen Wettbewerbs auf dem Milchmarkt sollte dies nur unter Wahrung einer angemessenen Mengenbegrenzung möglich sein
Wir sehen, es stehen ganz neue Vorschläge im Raum.