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Wie man den Hof in Frieden loslassen kann

Barbara Eiselen gibt Einblicke in ihre Erfahrungen als Coach in der Landwirtschaft und zeigt, wie wichtig das Thema Loslassen bei einer Hofübergabe ist.

Barbara Eiselen |

Die Verordnung über die Direktzahlungen stellt ein klares Ultimatum. Spätestens mit 65 Jahren muss die abtretende Generation den Hof übergeben und «loslassen». Aber beginnen möchte ich eigentlich mit einem anderen Thema, welches in unserer Gesellschaft so weitgehend und oft tabuisiert wird.

Genau dieses Thema kennt aber jeder Landwirt, jede Landwirtin in seiner/ihrer täglichen Arbeit und betrifft uns letztendlich alle! Es ist der Tod.

Geht es mit 65 Jahren um den Tod?

Im Tod findet das ultimative Loslassen von unserer körperlichen Hülle statt, und wir lassen alles Materielle zurück. Wir können bekanntlich nichts mit ins Grab nehmen. Was danach ist, darüber kann man glauben, was man will. Dafür gibt es keine wissenschaftlichen Beweise und wird es auch nie geben.

Sie werden sicher einwenden: «Bei der Hofübergabe mit 65 geht es aber hoffentlich ja noch nicht um den Tod, oder?» Was also muss man dann loslassen und was noch nicht?

Zur Person

Barbara Eiselen ist Agronomin und war viele Jahre in der landwirtschaftlichen Lehre und Forschung in den Bereichen Betriebswirtschaft, Agrarpolitik und -märkte tätig. In ihrer beruflichen Laufbahn erkannte sie, dass es sich bei Hofstrategien und betriebswirtschaftlichen Fragestellungen meistens um tieferliegende Themen handelt.

Barbara Eiselen bildete sich fort in den Bereichen Coaching, Psychologie und Familiensysteme und ist heute selbstständige Beraterin. Sie hat die Vision, die Hemmschwelle für Tabu-Themen in der Landwirtschaft zu brechen, so dass man sich frühzeitig Hilfe für die wahren Probleme holen darf.

Sie nennt es «den Service für die Seele, die Psyche und die Ehe, genauso wie der Traktor auch seinen jährlichen Service bekommt». Eiselen ist Bauerntochter und Schwiegertochter einer Bauernfamilie.

In der Landwirtschaft wird ein Familienerbe in Form von Gebäuden, Boden, einer Ausrichtung, einer Machart, finanziellen Voraussetzungen usw. weitergegeben. An diesem Erbe hängt oft viel Herzblut dran, nicht selten aus mehreren Generationen. Diese Vererbung geschieht zu Lebzeiten, und ja, sie geschieht nicht beim Tod des Abtretenden.

«Der Junge will alles an sich reissen»

Wie oft sind sich die Generationen genau auf dieser Ebene schon in die Haare geraten? Ich habe schon oft Vorwürfe gehört, wie beispielsweise folgende: «Du wertschätzt meine Arbeit nicht» oder «Es fehlt an Wertschätzung der älteren Generation gegenüber für das ganze investierte Herzblut.»

«Der Junge will den Alten nur aushebeln und alles an sich reissen, was ja zum Ertragswert recht günstig zu bekommen ist.» «Der Junge ist nicht in der Lage das Familienerbe erfolgreich weiterzuführen, weil er anders arbeitet und andere Prioritäten setzt.» «Die Alten sollen doch jetzt einfach endlich loslassen und die Jungen in Ruhe lassen!»

Sich mit wichtigen Lebensfragen auseinander setzten

Loslassen ist ein Prozess, der nicht von heute auf morgen einfach geschieht. Denn er verlangt die Auseinandersetzung mit grossen und wichtigen Lebensfragen wie beispielsweise: Wer bin ich wirklich? Was sind meine besonderen Fähigkeiten? Was habe ich erschaffen? Welche Herausforderungen habe ich gemeistert? Was ist jetzt im Alter meine Aufgabe in dieser Welt, nachdem ich diesen Hof nicht mehr habe? Was motiviert mich zutiefst und erfüllt mich auch noch nach 65?

Ich beobachte, dass sich ganz viele ältere Menschen mit solchen wichtigen Fragen beschäftigen, aber meistens sehr im Geheimen. Oder sie verdrängen diese sogar, weil sie zu gross erscheinen. Aber genau diese grossen Fragen werden sich, je näher der Tod kommt, immer mehr aufdrängen. Sie sind unausweichlich. Denn dem ultimativen Loslassen entkommt niemand.

Nicht ständig reinreden müssen

Spätestens ab 60, lieber früher noch, wo man in der Regel körperlich noch total fit ist, gilt es also, sich mit den grossen Lebensfragen zu beschäftigen. Mit den Antworten wird dann auch klar, welche Aufgaben einem nach 65 noch grosse Freuden bereiten und wie man diese einfädeln kann, wenn dann der Hof nicht mehr einem gehört.

Man haftet dann weniger an Hof und Gebäuden, Feldern und Anbaumethoden. Dies hilft auch, nicht ständig dem oder der Jungen reinreden zu müssen. Man kann der jüngeren Generation viel mehr Vertrauen schenken und ihr die Verantwortung wirklich übergeben.

Damit gibt man den Jungen die Erlaubnis, ihren Weg zu gehen, ihre Fehler zu machen und sich und den Hof zu ihrem/seinem Lebenswerk weiterzuentwickeln.

Jede Generation hat ihre Aufgabe

Mit 65 geht es also noch nicht darum, alles loszulassen, sondern nur mal um einen Teil. Es geht aber um einen wichtigen Teil. Die Hofübergabe ist ein wunderbares Übungsfeld fürs Loslassen, das gewissermassen herausfordernd ist. Und gerade deshalb ist dieser Moment eine grosse Chance, sich mit den grossen Fragen zu beschäftigen. Dafür braucht es manchmal Unterstützung, damit man sich an die tiefen und essenziellen Fragen überhaupt heranwagen kann.

Macht die ältere Generation ihren inneren Job und wird dabei weiser, so gibt sie der jüngeren Generation gleichzeitig mehr Raum, den sie braucht, um das Erbe gut weiterentwickeln zu können. Denn im Familienerbe hat jede Generation ihre Aufgabe, was im Übrigen auch für ausserfamiliäre Hofübergaben gilt.

Basis für gute Beziehung

Jede Generation muss den Hof zeitgemäss führen können, denn unsere Welt und Gesellschaft entwickeln sich ständig weiter. Was vor 30 Jahren gut funktioniert hat, funktioniert heute nicht mehr und führt mit der Zeit ins Verderben. Heute sind andere Strategien zukunftsversprechend als früher. Und das kann jeweils nur die aktive Generation wirklich gut steuern und umsetzen. Dazu muss sie Fehler machen können. Denn ohne Fehler gibt es keine Weiterentwicklung.

Die ältere Generation baut damit auch die Basis für weiterhin gesunde zwischenmenschliche Beziehungen. Sie gibt der kommenden Generation die Möglichkeit, sich schon früher mit diesen Themen zu beschäftigen, da sie so enttabuisiert sind, wenn man dies vorlebt.

Wichtig für die Gesundheit

Um lange gesund bleiben zu können, muss sich die ältere Generation den wichtigen Lebensfragen stellen, dabei loslassen und neuen Lebenssinn erfahren. Ansonsten verwickelt sie sich ständig in Meinungsverschiedenheiten mit den Jungen und behält das Szepter weiterhin in der Hand, obwohl die Jungen das viel besser könnten, einfach weil sie viel mehr Lebensenergie zur Verfügung haben.

Es geht beim Loslassen also auch um einen tiefen Respekt zwischen den Generationen, von der älteren zur jüngeren und von der jüngeren zur älteren Generation. Es geht beim Loslassen aber auch unausweichlich um die zentralen Lebensfragen, die sich letztendlich alle irgendwann stellen müssen, was meistens in einer Lebenskrise geschieht, wozu auch die Hofübergabe zählen kann.

Die gesetzliche Grundlage, die das Ultimatum bei 65 Jahren ansetzt, kann eine Lebenskrise verursachen, die, wenn sie gut gemeistert wird, wirklich Raum für Weiterentwicklung von allen beteiligten Menschen und auch des Familienerbes schafft. Wir als Menschen kommen und gehen. Es gibt aber etwas, das bleibt länger: der Hof, der Boden, das Familienerbe und das Wissen um gesunde zwischenmenschliche Beziehungen.

Zur Artikel-Serie

Anfang Mai dieses Jahres hat schweizerbauer.ch eine Online-Umfrage zum Thema Beratung aufgeschaltet und die Leser gefragt «Welche Themen beschäftigen Sie zurzeit und wo möchten Sie gerne Antwort erhalten?»

Barbara Eiselen geht monatlich auf eines der meistgenannten Themen ein. Im letzten Monat ging es um die Neuausrichtung des Hofes und den damit verbundenen Investitionen.

Im nächsten Artikel, Anfang Oktober, wird sich Barbara Eiselen dem Thema Hofübernahme widmen

 

Erschienene Artikel:

Psychische Belastung in der Landwirtschaft:   Der Schuh drückt und die Beziehung leidet

Mehr Freizeit:   Ja zu welchem Zweck eigentlich?

Neuausrichtung des Hofes u. Investitionen:   «Investiert nicht nur in Stall, sondern auch in eure Vision»     

Rollenaufteilung Mann/Frau: Die unsichtbare Knopf-Arbeit

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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