/fileadmin/images/logo.svg

Artikel werden durchsucht.

Wie er sich gegen Importe durchsetzt

Im Winter importiert die Schweiz das meiste Gemüse. Ein Tessiner Produzent gibt Gegensteuer. Trotz deutlich höherem Preis schafft er den Sprung in den Detailhandel. Dazu brauchte es eine Portion Mut und moderne Technik. Sein Projekt ist für den Agropreis nominiert.

Reto Blunier |

Die Magadinoebene war bis vor rund 100 Jahren ein Sumpfgebiet. Mit der Kanalisierung des Flusses Ticino wurde ein grosser Teil der Schwemmgebiete der landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt. Das Gebiet wurde so zur grössten Landwirtschaftszone des Tessins. Heute steht die Landwirtschaft aber unter Druck, Wohnen und Wirtschaft graben immer mehr Fläche ab.

Betrieb vergrössert

Auch die Ortschaft Sant’Antonino TI wird immer grösser. In der aufstrebenden Gemeinde hat ein junger Gemüsegärtner in Eigenregie einen Markt für Schweizer «Wintertomaten» geschaffen. Doch der Reihe nach. Christian Bassi schloss auf einem grossen Gemüsebaubetrieb in der Deutschschweiz seine Lehre ab. Anschliessend arbeitete er auf dem elterlichen Betrieb. Früh machte er sich Gedanken, das Unternehmen zu übernehmen. 2016 war es so weit. Er kaufte den Betrieb von seinem Vater Marco Bassi.

Bei der Übernahme umfasste der Betrieb 40 ha Landwirtschaftsland, dazu mehrere ältere Plastiktunnels. Er erweiterte das Unternehmen kontinuierlich. Heute gehören zum Betrieb 100 ha landwirtschaftliche Nutzfläche. Hier werden unter anderem Kartoffeln, Mais, Sorghum, Salat, Soja, Karotten, Zucchetti und anderes Gemüse angebaut. Weitere 10 ha bewirtschaftet Bassi in Folientunnels und Gewächshäusern, wobei der grössere Teil unter Glas ist. Dort werden vor allem Tomaten angebaut. Heute beschäftigt der 35-Jährige in Spitzenzeiten während des Sommers 150 Personen. Vor acht Jahren waren es lediglich 30 Mitarbeitende.

Inlandanbau erhöhen

Der Anbau in Gewächshäusern erhöht den Ertrag deutlich. «Die Saison wird dadurch aber auch länger. Sie dauert nun elf Monate», führt Bassi aus. Das ist auch unabdingbar. Ein Gewächshaus mit einer Grösse von einer Hektare kostet rund drei Millionen Franken. Die längere Saison hat auch weitere Vorteile. Einen grösseren Teil der Mitarbeitenden beschäftigt er nun das ganze Jahr über. Das sei wichtig. Er könne ihnen so Perspektiven bieten. Denn gutes Personal zu finden, sei schwierig.

Wie kam er dazu, während des Winters Cherrytomaten anzubauen? Bassi holt aus: «2018 hatten wir eine Gemüseproduzentensitzung. Dabei waren auch Vertreter des Bundes. Sie sagten uns offen, dass es besser sei, Tomaten aus Spanien zu importieren, weil Schweizer Tomaten zu viel CO2 verursachten.» Diese Aussage verärgert Bassi sichtlich.  «Klar, müssen wir heizen. Aber unsere Mitarbeitenden werden korrekt bezahlt, wir minimieren den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Wasser. Und wir werden immer kontrolliert», erklärt er. Bassi kommt auch auf den Selbstversorgungsgrad zu sprechen. Dieser sei unter 50 Prozent gefallen. «Wir müssen schauen, dass wir hier Gegensteuer geben. Was machen wir, wenn Länder wie Spanien plötzlich kein Gemüse mehr liefern?», fragt er sich.

Nachhaltiger als Importe

Die Sitzung war der Startschuss für das Projekt Wintertomaten. «Wenn jemand solche Aussagen tätigt, beweise ich das Gegenteil», sagt der Jungunternehmer. Wichtig sei, etwas zu produzieren, was die anderen Gemüseproduzenten noch nicht machen, habe ihm sein Vater gesagt. «Sonst bist du immer einen Schritt zu spät», fährt Bassi fort. Er setzte sich zum Ziel, die inländische Produktion auch im Winter nachhaltiger zu machen als der Import.

Normalerweise werden in der Schweiz die Tomaten in den Gewächshäusern im Januar gepflanzt. Die Ernte erfolgt ab März und dauert bis in den November. Bei den Wintertomaten erfolgt die Pflanzung im August, ab Oktober kommen die Cherrytomaten in den Vollertrag. Geerntet wird dann bis im Juli des kommenden Jahres.

Preis als Schwierigkeit

Nun ging es an die Umsetzung. Es gab einige Hindernisse zu überwinden. Die grösste Schwierigkeit: der Preis. Die im Winter produzierten Tomaten konkurrieren mit den massiv günstigeren Importen. «Es ist nicht selbstverständlich, dass der Konsument einen Preis bezahlt, der die Produktionskosten deckt», sagt Bassi. Er führte erste Gespräche mit Abnehmern. Parallel dazu trieb er die Planung vorwärts. Im September 2021 erhielt er die Baubewilligung für das Gewächshaus.

 

Im Mai 2022 erfolgte der Baustart. Drei Monate später war das Gebäude bereits fertiggestellt. Bassi ging volles Risiko ein. «Das Gewächshaus kostete 3,5 Millionen Franken. Einen Abnahmevertrag für die Tomaten hatte ich bei der Pflanzung im September 2022 noch nicht», sagt der Unternehmer. 

Einzigartig

Bassi baute ein Gewächshaus, das in der Schweiz einzigartig ist. Die Produktion verursacht 65 Prozent weniger CO2 als in herkömmlichen Gewächshäusern. Denn die 5000 Quadratmeter werden mit der Abwärme der Kehrichtverbrennungsanlage Giubiasco beheizt. Die Beleuchtung der Tomaten erfolgt mit LED-Lampen, die weniger Strom benötigen. Zwei sogenannte Energieschirme verhindern, dass Wärme an die Umgebung abgegeben wird.

Vor allem in den Monaten November, Dezember und Januar brauchen die Pflanzen künstliche Beleuchtung, weil das natürliche Licht fehlt. Deshalb brauchte es einen zusätzlichen Schirm, den «Blackout-Schirm». «Dieser verhindert, dass Kunstlicht und Wärme nach aussen dringen», erklärt der Gemüseproduzent.

Coop übernimmt Ernte

Ultradurchlässiges Glas hilft, den Stromverbrauch zu senken. Der gesamte Tomatenanbau erfolgt nach dem Hors-sol-Prinzip. «Das ist umwelt- und ressourcenschonend», führt Christian Bassi aus. Weiter setzt er auf die biologische Schädlingsbekämpfung. Verschiedene Nützlinge wie die Schlupfwespe Encarsia oder die Raubwanze Macrolophus bekämpfen unerwünschte Gäste. Eine Herausforderung ist auch die Klimaführung. «Hier gab es bisher keine Erfahrungswerte. Dank eines Entfeuchtungs- bzw. Belüftungssystems haben wir die Steuerung mittlerweile im Griff», erklärt er. Kritisch wird es, wenn im Dezember die anderen Gewächshäuser ausgeräumt werden. «Die Gefahr besteht, dass die Schädlinge in das Gebäude der Wintertomaten eindringen», führt Bassi aus.

Die Abnahme der Wintertomaten hat der Gemüseproduzent geregelt. Das Pilotprojekt überzeugte Coop. Der Detailhändler erfüllt die Preisforderungen und kauft die gesamte Ernte ab. «Ich bin Coop dafür sehr dankbar», sagt Bassi. Der Vertrag läuft mehrere Jahre. Die Mengen lassen sich sehen. Mehrere Dutzend Tonnen Importtomaten werden so durch einheimische Ware ersetzt.

Risiko hat sich gelohnt

Dank der erfreulichen Nachfrage gibt es Erweiterungspläne. Das Gewächshaus ist bereits gebaut. Dies muss «nur» noch mit der entsprechenden Technik ausgerüstet werden. Das Risiko habe sich gelohnt, sagt Bassi. Es zeige, dass die Schweizer Landwirtschaft innovativ sei. Sollte er den Agropreis gewinnen, würde er das Geld in die Ausbildung der Mitarbeitenden investieren. «Das Unternehmen profitiert doppelt: Es gibt bessere Produkte, und das Personal ist motivierter», resümiert Bassi.

Nominierte Projekte

Für den Agropreis sind 4 Projekte nominiert. Neben dem Bio-Hummus sind es folgende 3 Projekte:

Burgundertrüffel: Bis zum Erfolg brauchte es viel Geduld

Bio-Hummus:  Mit Nebenprodukt neuen Markt geschaffen

Digitale Marktplattform:  Bauernplattform vermarktet über 1’000 Produkte

Gebt Eurem Favoriten die Stimme. Nutzt das dazu Votingformular unterhalb des Kastens. Das Projekt mit den meisten Stimmen gewinnt an der Verleihung den Leserpreis in der Höhe von 3000 Franken. Und Ihr könnt ebenfalls tolle Preise gewinnen.

Kein Formular zum Anzeigen

Kommentare (5)

Sortieren nach:Likes|Datum
  • Giovanni | 07.11.2024
    👍👍
  • Paolo | 06.11.2024

    👍

  • scettrini Sebastiano | 05.11.2024
    top tecnologia perfetta e dinamica
  • M.E. | 26.09.2024
    Wieso steht ein solcher Betrieb in der Lanwirtschaftszone und nicht in der Gewerbezone?
  • Emilie Jaberg | 09.09.2024
    Dieser Kommentar wurde von der Redaktion entfernt.
×

Schreibe einen Kommentar

Kommentar ist erforderlich!

Google Captcha ist erforderlich!

You have reached the limit for comments!

Das Wetter heute in

Umfrage

Habt Ihr euren Mais geerntet?

  • Ja:
    33.59%
  • Nein:
    37.07%
  • Teilweise:
    21.96%
  • Habe keinen Mais:
    7.38%

Teilnehmer insgesamt: 1721

Zur Aktuellen Umfrage

Bekanntschaften

Suchen Sie Kollegen und Kolleginnen für Freizeit und Hobbies? Oder eine Lebenspartnerin oder einen Lebenspartner?