
Rahel Margreth aus Langwies GR hat sich mit der Teilnahme einen Wunsch erfüllt.
Marion Nitsch
Heute kann ich nicht einfach aufs Maul hocken und ich muss vorweg ein paar Gedanken loswerden. Rahel Margreth, die Teilnehmerin, auf die ich, so ehrlich darf ich wohl sein, schon lange gewartet habe. Schon seit den ersten Ankündigungen der Sendung hat sie sich wie ein leiser Nachhall in meinen Gedanken gehalten.
Ich fragte mich immer wieder, wie der Einblick in Rahels Leben wohl in der Sendung erscheinen würde. Weshalb gerade sie mich so beschäftigte, kann ich nicht ganz erklären. Es war dieses schwer greifbare Gefühl, dass hinter ihrer ruhigen Art mehr verborgen liegt, denn ich hatte von Beginn an den Eindruck, dass ihre Geschichte eine besondere sein würde. Dass ich mich nicht getäuscht habe, so viel darf ich vorwegnehmen.
Kam für Ausbildung und blieb fürs Leben
Rahel, ist im Zürcher Oberland aufgewachsen und erst durch ihre Ausbildung als Fachfrau Hauswirtschaft ins Bündnerland gekommen, dort hat sie ihren Mann Hanspeter kennengelernt und ist geblieben. Aus einer Begegnung wurde Liebe, aus einem Aufenthalt ein neues Leben und Rahel blieb.

Rahel Margreth bewirtschaftet mit ihrem Mann einen Bio-Bergbauernhof.
SRF
Heute lebt die Familie in Langwies im Schanfigg, auf 1377 Metern über Meer, dort, wo die Bahn weiter nach Arosa über das bekannte Viadukt fährt. Das Wohnhaus steht mitten im Dorf, der Stall liegt rund 300 Meter weiter Richtung Bahnhof, ein typisches Bergdörfchen-Setting. Zur Familie gehören neben Rahel und Hanspeter die vier Kinder Annina (10), Flurina (8), Madlaina (6) und Ursin (3). Eine lebhafte Rasselbande, die viel abverlangen, um sie im Zaum zu halten, das spürt man sogar durch den Fernseher hindurch.
Turbulente Zeiten
Ihr Hof ist ein Bio-Milchwirtschaftsbetrieb in der Bergzone 4. Rund 40 Hektaren Land, mehr als die Hälfte davon hoch oben zwischen 1900 und 2200 Metern über Meer. 13 Milchkühe, etwa 20 Stück Jungvieh und ein Alltag, der kaum Pausen kennt. Im Sommer zieht die ganze Familie mit den Tieren auf die Alp ins Hochtal Fondei. Während der Heuzeit wohnen sie sogar direkt dort oben. Steile Hänge, Wege, die man eher geht als fährt und To-do-Listen, die länger werden, statt kürzer.
Haus, Hof, Alp und vier kleine Kinder, das alles gleichzeitig zu tragen, geht nicht spurlos an einem vorbei. Irgendwann wurde es auch Rahel zu viel. Vor gut einem Jahr ist sie an ihre Grenzen gestossen. «Die letzten zehn Jahre habe ich Raubbau an meinem Körper und meiner Seele betrieben», sagt sie heute. Ein Satz, der mich nachdenklich stimmte, ehrlich und roh. Und gleichzeitig wurde mir in diesem Moment klar, weshalb sie mich von Anfang an so beschäftigt hatte.
Weshalb ich schon früh so viele Gedanken an sie verlor und weshalb ich diesem Abend mit einer besonderen Spannung entgegengeblickt hatte. Es verwunderte mich nicht, dass ausgerechnet sie diese Worte fand. Rahel wirkte von Beginn weg taff auf mich, stark und klar, aber nie kalt. Eher wie jemand, der viel trägt, ohne laut darüber zu sprechen.
Etwas für sich tun
Hanspeter sagt über seine Frau: «Sie ist immer da, wenn man sie braucht.» Und man spürt, wie viel Anerkennung in diesen Worten steckt. Auch die Landfrauen beschreiben Rahel als eine, die immer alles stemmt, als bräuchte sie dafür viele Arme.

Ihren eigenen Ehrgeiz stellte sie hinter das Bedürfnis ihrer Kinder.
Marion Nitsch
Schon lange wollte sie bei der Landfrauenküche mitmachen, erzählt sie. Doch erst kamen die Betriebsübernahme, dann die Kinder und irgendwann waren alle Faktoren gleichzeitig. Jetzt aber war für sie «der Zeitpunkt richtig». Sie wollte bewusst einmal etwas nur für sich tun. Doch sie glaubte vorerst nicht an die Möglichkeit der Teilnahme, weil sie vermutetet, ihr Betrieb sei zu durchschnittlich. Doch da lag sie falsch.
Fleisch im Glas
Rahels Menü für die Landfrauenküche lässt sich am besten so beschreiben, wie sie es selbst nennt. Perfektionistisch in der Planung, eher chaotisch in der Umsetzung. Wobei ich an diesem Abend eigentlich nichts Chaotisches erkennen konnte. Bestimmt war ihr Menu kein kulinarischer Ausreisser. Aber total bewusst gewählt und darin lag seine Stärke. Für die Vorspeise stellte Rahel aus ihrer eigenen Milch Ziger her. Genauer gesagt bestand sie aus einem Randen Ziger Carpaccio mit Eierschwämmli und Nüsslisalat. Wer Ziger ins Zentrum stellt, entscheidet sich mutig, denn er schmeichelt nicht jedem Gaumen. Genau das gefiel mir und macht die Sendung letztlich aus. schliesslich geht es ja nicht nur darum, allen zu gefallen, sondern eine eigene kulinarische Haltung zu zeigen.
Der offiziell angekündigte Hauptgang klang wie konservierte Zeit. Sterilisiertes Rindsvoressen aus dem Glas, serviert an einer Holundersauce mit Kartoffel Pizokel und Rotkraut. Rindsvoressen einzumachen ist eine alte Technik, die heute wieder vermehrt geschätzt wird. Ein Glas Rindsvoressen ist kein Glamourgericht, aber muss es das sein? Für mich nicht. Ich finde die Idee hervorragend. Warum immer Filet, warum immer Niedergaren.
Fragezeichen beim Dessert
Zum Dessert gab es Thymian Panna Cotta mit Hagebuttenspiegel, Nusstörtli und Palöglischaum. Der Ausdruck «Palögli» sorgte nicht nur bei den Jurorinnen, sondern auch bei mir für ein grosses Fragezeichen. Keine der Frauen konnte das Wort später korrekt aussprechen, geschweige denn genau sagen, was es eigentlich ist. Gemeint waren ganz einfach die gelben Mirabellen😉
Und hier kam der Moment, der mich persönlich am meisten berührt hat. Rahel liess das Dessert von ihren Kindern servieren. Sie wusste, dass dabei etwas schiefgehen könnte. Sie nahm das in Kauf. Ihren eigenen Ehrgeiz stellte sie hinter das Bedürfnis ihrer Kinder, die in diesem Moment einfach dabei sein wollten. Sie wollte ihnen diesen Wunsch erfüllen, im Wissen, dass sie das vermutlich für immer in bester Erinnerung behalten werden. Das war leise, stark und ehrlich berührend.
Zwischen Anspruch und Alltag
Wenn ich auf die Sendung zurückblicke, zeigt sich Rahel als eine Person mit hohen Ansprüchen an sich selbst und zugleich mit einem feinen Bewusstsein dafür, dass sich das Leben nicht immer kontrollieren lässt. Dass das eigentliche Rezept im Leben nicht das perfekte Gericht auf dem Teller ist, sondern die Fähigkeit, innere Ordnung zu bewahren und gleichzeitig tolerant zu bleiben gegenüber der Unordnung im Alltag.
Weil vieles eben nicht planbar ist. Ohne Struktur geht es nicht, doch selbst die beste Organisation reicht manchmal nicht aus, wenn das Unvorhergesehene den Alltag sprengt. Genau dieses Spannungsfeld macht Rahel so greifbar und ihre Geschichte so nah. Eine, in der sich wohl mehr als eine Person wiedererkennen kann.
Finale rückt näher
Als letzte Teilnehmerin der Staffel dürfen wir uns nächste Woche auf Corina Kohler aus Pfäfers SG freuen. Nach sechs sehr unterschiedlichen Abenden bleibt es spannend, mit welcher Menükarte sie den Schlusspunkt setzen wird und welchen persönlichen Stil sie mitbringt. Gelingt es ihr, das Feld von hinten aufzurollen?
Hier findet ihr die Blogs zu den bisherigen fünf Folgen:
-> Blog 1: Lorena serviert das Menü am Haken
-> Blog 2: Milena serviert schwimmende Simmentaler
-> Blog 3: Vegetarierin tischt den Braten auf
Will man dies einfach nicht mehr sehen?
Ich finde es mutig und stark, dass diese Familie sich so darstellen liess.
Das gibt gewiss vielen anderen Familien mit ähnlichen Herausforderungen Kraft.
Ich wünsche der ganzen Familie weiterhin viel Energie für den Alltag.
Carmen
Diese Infos hätten die Sendung abgerundet. Statt dessen wurde etwas viel über ihre Probleme berichtet. Ob das die Zuschauerquoten positiv beeinflusst, wage ich zu bezweifeln.
Ich bin etwas ratlos und hoffe, Rahel findet ihren Weg und kann Hilfe oder Unterstützung holen, wenn sie sie braucht.
Ich weiss nicht, ob dies beim Fernseh nicht gewünscht wird, dass die helfenden Eltern erwähnt werden?
Mehr solche Menschen braucht unsere Zeit und Welt - empathisch, authentisch, offen, klar, mutig - und immer wieder aufstehen!
Danke und bravo, Rahel!