Mein weiterer Weg führte mich über Rapperswil SG nach Einsiedeln im Kanton Schwyz, zum grössten Kloster der Schweiz und einem bedeutenden Wallfahrtsort. Hier erwartete mich eine Reise durch Geschichte und Tradition, begleitet von Pater Lorenz (82), einem Benediktiner mit über 60-jähriger Erfahrung im Kloster. Einen weiteren faszinierenden Einblick erhielt ich im Pferdestall des Klosters, wo mich der Gestütsleiter Christof Schaerer (39) über die Herausforderungen der Erhaltung der einzigartigen Einsiedler Pferde aufklärte.
Leiter Landwirtschaft
Pünktlich um 9:00 Uhr holte mich Pater Lorenz an der Hofpforte des Klosters Einsiedeln ab. Er führte mich durch alte, hölzerne Türen und die Gänge des imposanten Gebäudes in ein ruhiges Besprechungszimmer. Seit über 60 Jahren lebt Pater Lorenz im Kloster Einsiedeln. Inspiriert von seinem Onkel und seinem religiösen Interesse, trat er 1962 in das Kloster ein.
Damals zählte die Gemeinschaft fast 200 Mönche, heute sind es noch 38 Mönche im Alter zwischen 25 bis 90 Jahre. Nach dem Theologiestudium absolvierte Pater Lorenz auch ein Psychologiestudium in Freiburg und war jahrelang als Primarschullehrer tätig. Zudem war er während 13 Jahre lang Schulleiter. Ausserdem fungierte er als Statthalter im Kloster, als Leiter der Landwirtschaft und deren Betriebe.
800 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche
«Unser Hauptziel besteht in der Suche nach Gott», sagt Pater Lorenz. Das Leben im Kloster gleiche einem Rhythmus von Gebet, Lesung, Arbeit und Stille. Jeder Mönch hat eine Aufgabe und arbeitet in einem Bereich des Klosters mit. Die Mönche im Kloster Einsiedeln nennen sich Benediktiner. Sie sind ein katholischer Mönchsorden, der auf den heiligen Benedikt von Nursia zurückgeht. Sie leben nach der Benediktsregel, die Gebet, Arbeit und Lesung in harmonischem Wechsel betont.
Das Kloster umfasst 25 Pachtbetriebe, darunter 12 Kleinpachten in den Kantonen Schwyz, Aargau, Zürich, Thurgau und St. Gallen. Davon sind 800 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche, die sich über die Schwyzer Kantonsgrenzen hinaus erstrecken und eine reiche Geschichte haben. Pater Lorenz erinnert sich an die Anfangszeiten, als das Kloster noch einen Grossteil des Landes mit Angestellten bewirtschaftete und sich mit Fleisch und Milchprodukten von den Betrieben selbst versorgte.
Deutlich weniger Eintritte
In den 90er-Jahren führte die Agrarpolitik dazu, dass die Betriebe zunehmend verpachtet wurden, da Direktzahlungen nur an Selbstbewirtschafter gewährt wurden. Noch heute steht das Kloster Einsiedeln in engem Kontakt zu seinen Pächtern. Pater Lorenz sagt: «Die Natur ist sehr wertvoll, wir dürfen sie nutzen jedoch nicht übernutzen und nur so, dass sie sich weiterentfalten kann.»
Der prächtige Barockbau des Klosters und die Gnadenkapelle mit der schwarzen Madonna sind die Hauptziele vieler Reisender, die nach Einsiedeln kommen.
Einsiedeln Tourismus
Auf die Frage nach Nachfolgern antwortete Pater Lorenz, dass es zwar immer wieder Interessenten gebe, aber deutlich weniger als früher. Dabei betont er, dass sowohl junge Menschen als auch solche im fortgeschrittenen Alter diesen Weg einschlagen könnten. Älteren Menschen falle es jedoch oft schwerer, sich in die Gemeinschaft einzuordnen. «Ich bin dennoch überzeugt, dass es immer wieder Menschen geben wird, die diese wertvolle Lebensweise wählen werden. Nicht zuletzt auch, weil das Kloster Einsiedeln ein bedeutender Wallfahrtsort ist», fügt er abschliessend hinzu.
Ältestes Gestüt Europas
Nach dem Gespräch mit Pater Lorenz führte er mich zum Marstall des Klosters, des ältesten Gestüts Europas. Heute führt die Marstall GmbH in den historischen Marstallgebäuden des Klosters einen modernen Pferdepensionsbetrieb mit Reitstall. Der Stall besticht durch ein besonderes Ambiente und sehr grosszügige Boxen. Darüber hinaus bietet er weitläufige Weiden und legt grossen Wert auf das Wohlbefinden der Pferde, weshalb die Boxen mit besonders viel Einstreu ausgestattet sind. «Marstall bedeutet eigentlich Märenstall», erklärte mir Christof Schaerer, der aktuelle Gestütsleiter und Stallchef vor Ort.
Seit über 1000 Jahren werden im Gestüt Einsiedler Pferde gezüchtet.
Einsiedeln Tourismus
Ein Märenstall ist traditionell ein Stall für trächtige Stuten, was auf die historischen Zuchtmethoden hinweist. Schaerer führte mich durch die Stallungen des Klosterbetriebs und berichtete von der langen Tradition der Pferdezucht im Kloster Einsiedeln. Seit der Gründung verfüge das Kloster vermutlich über Pferde. Seit über 1000 Jahren werden im Gestüt Einsiedler Pferde gezüchtet. «Etwa im Jahr 1064 begannen die Mönche mit der Pferdezucht, stets mit dem Ziel, ein Pferd zu züchten, das den eigenen und den Marktbedürfnissen entspricht», so Schaerer. Ursprünglich wurden sie für landwirtschaftliche und forstliche Arbeiten sowie den Transport genutzt. Später etablierte sich ihre Verwendung hauptsächlich als Kutsch- und Reitpferde.
Rasse erhalten
Mit den drei noch vorhandenen Mutterstutlinien versucht man die Zucht der traditionellen Einsiedler Pferde zu erhalten und den heutigen Schlag vielleicht sogar zu einer Rasse zu entwickeln. In den letzten 20 bis 30 Jahren verfolgte die Einsiedler Pferdezucht keine einheitliche Zuchtstrategie, weshalb es nicht erstaunt, dass eine Genanalyse von Agroscope ergab, dass die Einsiedler Pferde sich genetisch nicht eindeutig von europäischen Warmblütern unterscheiden. Bei der gleichen Untersuchung wurde gezeigt, dass Freiberger Pferde aus der Noé-Linie teilweise mehr Einsiedler Blut aufweisen als Einsiedler Pferde.
Eine Hoffnungsträgerin im Gestüt in Einsiedeln ist die Stute Arista.
Marstall Kloster Einsiedeln
Diese Linie geht nämlich auf den Einsiedler Hengst Noé zurück. Auf Basis der genetischen Erkenntnisse und einer zu definierenden Zuchtstrategie kann es gelingen, eine Einsiedler Pferderasse zu züchten. Beim Zuchtziel legt man Wert auf Eleganz im Ausdruck, einen braven und gutmütigen Charakter, schwungvolle Gänge und robuste Gesundheit. Die Einsiedler Pferde sind meist fuchsfarben, braun oder dunkelbraun und zeichnen sich als vielseitige Allrounder für Freizeit und Sport aus.
«Cavalli della Madonna»
Die Erhaltung der Einsiedler Pferde stellt sich als Herausforderung dar, da es nur noch wenige zuchtfähige Stuten und keine Einsiedler Zuchthengste gibt. Um den traditionellen Pferdeschlag zu erhalten, konzentriert man sich zunächst auf die Erhaltungszucht und erwägt den Einsatz von Embryo-Transfer. «Da keine lebenden Einsiedler Hengste mehr verfügbar sind, wird auch die Möglichkeit in Betracht gezogen, die Einsiedler Stuten mit zum Zuchtziel passenden Hengsten anderer Rassen zu paaren,» erzählt Schaerer.
Die Erhaltung der Einsiedler Pferde stellt sich als Herausforderung dar.
hhj
In Zusammenarbeit mit der Pferdeklinik Grossäcker, der Genetikerin Annik Gmel, der Stiftung zur Förderung des Einsiedler Pferdes und anderen Fachleuten wird Schritt für Schritt daran gearbeitet, die Zukunft der Einsiedler Pferdezucht zu sichern. Im Mittelalter erlangten die Einsiedler Pferde europaweit Bekanntheit als «Cavalli della Madonna». Der Name deutet auf ihre enge Verbindung zur «Schwarzen Madonna» des Klosters Einsiedeln hin. Das Kloster ist seit seiner Gründung ein bedeutender Wallfahrtsort der Marienverehrung. Die Pferde, die von den Mönchen gezüchtet wurden, erhielten daher diesen besonderen Namen, der ihre Verbindung zum Kloster unterstreicht.
Die Schwarze Madonna
Die Schwarze Madonna von Einsiedeln ist eine berühmte Marienstatue im Kloster Einsiedeln. Sie gilt als ein bedeutendes religiöses Symbol und zieht jährlich zahlreiche Pilger und Besucher an. Im Sommer 1466 wurde das Einsiedler Gnadenbild, eine stehende Madonna mit dem Kind auf dem linken Arm, in die Heilige Kapelle gebracht. Ein Klosterbrand am 21. April 1465 hatte das frühere Madonnenbild in der Heiligen Kapelle zerstört. Es ist unklar, ob das Bild als neues Gnadenbild in Auftrag gegeben wurde oder ob eine bereits im Kloster vorhandene Statue dafür verwendet wurde.
Anfangs waren das Gesicht und die Hände der Madonna und des Jesuskindes farbig. Durch den Rauch der Kerzen und Öllampen in der Heiligen Kapelle wurden sie jedoch dunkel und schliesslich schwarz, weshalb sie schon im 17. Jahrhundert als «Schwarze Madonna» bekannt war. Kurz bevor Einsiedeln im Mai 1798 von französischen Truppen besetzt wurde, wurde die Statue in Sicherheit gebracht. Zuerst wurde sie im Alpthal SZ versteckt, dann auf der Haggenegg vergraben und schliesslich ins Kloster St. Peter im Vorarlberg und in die Propstei St. Gerold verfrachtet.
Dort restaurierte sie der Fassmaler Johann Adam Fuetscher und fasste sie vollständig schwarz. Seit 1803 steht die «Schwarze Madonna» wieder in der neu errichteten Gnadenkapelle in Einsiedeln. Ursprünglich trug die Madonna wahrscheinlich nur einen einfachen Schleier. Seit dem 17. Jahrhundert ist sie jedoch in spanischer Hoftracht gekleidet, wobei nur Gesicht und Hände unbedeckt bleiben. Die Madonna besitzt 27 verschiedene Kleider.
Einen Einblick in das Kloster mit Pater Lorenz und in den Pferdestall mit Gestütsleiter Christof Schaerer seht Ihr hier
Michelle unterwegs: Alle Etappen zum Nachlesen
1. Etappe: Matschige Stiefel und Kinderlachen
2. Etappe: Von der Chrüterei, zum Bier bis zum Käse
3. Etappe: Bei Übernahme Betrieb umstrukturiert
4. Etappe: Erlebnisweg bringt Landwirtschaft näher
5. Etappe: Im Herzen der Innerschweiz
Von Rapperswil nach Einsiedeln lässt es sich die Herzroute nicht nehmen, dem Zürichsee ein besonderes Kränzchen zu winden, indem sie sich um den ganzen Obersee herumschlängelt, der in grossartiger und verkehrsfreier Weise sich dem Radreisenden darbietet. Erst mit dem Übertritt in den Kanton Schwyz ändert sich die Szenerie, zuerst mit dem düsteren und bunkergespickten Buechberg, dann mit dem jähen Aufstieg, der uns nach erfolgter Zwischenverpflegung im noblen Lachen und dem Besichtigen des Aussichtspunkts Johannisburg empfängt.
Die sich uns entgegenstellenden Höhenlinien sind knackig, werden aber durch die immer imposanter werdende Aussicht auf den Zürichsee mehr als wettgemacht. Auf dem Höhepunkt, dem historischen Etzelpass, erwartet uns die sagenumwobene Teufelsbrücke und daneben das Geburtshaus des ebenso bedeutungsschweren Arztes Paracelsus. Wir sind nun auf geweihtem Boden, auf den Latifundien des Klosters Einsiedeln, das der ganzen Region sein Gepräge gegeben hat und nach kurzer Fahrt in ganzer Pracht vor uns erscheint. Benommen von der barocken Opulenz des Kirchenbesuchs besänftigt man seine Seele mit einer der bekannten Süssspeisen oder mit einem vergorenen Gerstensaft aus lokaler Produktion.
Streckenbeschrieb: 51 km, 1225 Hm/sehr hügelig, Naturstrassen: 13,5 km.
Die fünfte Etappe verläuft zuerst flach, bevor anschliessend die Strasse steil ansteigen.
zvg