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Wie soll sich Landwirtschaft weiter entwickeln?

Dominic Spahr |

 

Dominic Spahr (31) ist Landwirt und stellt sich neu der Herausforderung eines Agronomiestudiums. Regelmässig berichtet er, was er an der Hafl erlebt und was sonst so in seinem Leben passiert. Heute äussert er sich kritisch zu den Herausforderungen in der Landwirtschaft.

 

Heute hat sich die Sonne ausserordentlich früh schlafen gelegt und über Biel legt sich eine behagliche Finsternis. Das schwache Licht des Mondes und der Sterne wird vom Schnee, der letzte Woche gefallen ist, reflektiert und erhellt die kalte Nacht.

 

Diverse Stoffwechsel-Erkrankungen

 

Ein sanfter Dunst liegt in der Luft, umhüllt die Stadt und sorgt somit, in Kombination mit der allgegenwärtigen Weihnachtsbeleuchtung, für eine gemütliche und heimelige Stimmung, die einen in eine, fast schon kindliche, Weihnachtsvorfreude versetzt. Ich kann die Stimmung aber nur kurz geniessen, denn ich habe nicht wirklich Zeit, mich dem ganzen Weihnachtszirkus hinzugeben, da ich noch ein Studium zu meistern habe.

 

Ende Januar steht die erste Semesterprüfung an und ich habe mir mal wieder das Lernen als Hauptbeschäftigung für meine Freizeit angeeignet. Gerade in diesem Moment studiere ich diverse Stoffwechsel-Erkrankungen bei Wiederkäuern. Pansenazidose, Ketose, Weidetetanie, Hypokalzämie… usw. Ihr kennt es vermutlich.

 

Vor allem bei Tieren mit hoher Leistung

 

Dabei fällt mir auf, dass viele dieser Krankheiten vor allem bei Tieren mit hoher Leistung auftreten, oder zu befürchten sind. Schon während der Lehre als Landwirt hatten wir in der Schule mit einigen dieser Leiden zu tun. Und schon damals kam es mir irgendwie komisch vor, wie selbstverständlich wir Krankheiten und Probleme behandeln, die eindeutig auf die unverhältnismässig hohe Leistung der Tiere zurückzuführen sind.

 

Vermutlich gibt es diese «Störungen» auch bei Tieren mit niedriger Leistung oder gar bei jenen in freier Wildbahn, aber irgendwie bringe ich den Gedanken nicht mehr aus dem Kopf, dass die Sätze: «Die Kuh kann nicht mehr aufstehen, stoss ihr einen Calziumbolus in den Rachen.» und «Der Traktor startet nicht mehr, wechsle mal die Batterie» viel zu ähnlich klingen.

 

Probleme in den Griff bekommen

 

Selbstverständlich ergibt es Sinn, dass wir lernen mit diesen Beschwerden umzugehen, aber ich habe zunehmend das Gefühl, dass wir uns zu sehr auf Effizienz und Leistung konzentrieren. Und ich glaube, dass einige der grossen Probleme und Herausforderungen der Landwirtschaft, auch im Zusammenhang mit ihrem Image, mit einer Anpassung der Produktion in den Griff zu bekommen wären.

 

Wie kann es zum Beispiel sein, dass wir im Studium und in der Berufsschule lernen, wie man rechnen muss, dass eine Muttersau durchschnittlich 0.6 Ferkel mehr pro Wurf gebärt, während dem der Preis für Schweinefleisch so tief ist wie noch nie? Wie sinnvoll ist es, die Produktion so sehr auf Leistung auszurichten? Wäre es nicht denkbar, dass wir ein Wenig herunterfahren und dabei trotzdem noch effizient produzieren können?

 

Das Argument verliert an Gewicht

 

Schon öfter habe ich solche Fragen mit unterschiedlichen Parteien diskutiert und oft kommt von Produzenten das Argument, dass uns die Nahrung nicht reicht, wenn wir nicht so viel produzieren. Wenn man aber bedenkt, dass in der Schweiz ungefähr ein Drittel der Lebensmittel sogar noch bevor sie auf einem Teller landen, weggeworfen werden, verliert dieses Argument etwas an Gewicht.

 

Es mag ein wenig so klingen, als würde ich die Art und Weise wie wir wirtschaften verurteilen und den technologischen Fortschritt verteufeln. Diesen Eindruck möchte ich nicht erwecken und ich kann und will mich auch nicht den Innovationen und technischen Neuerungen in den Weg stellen. Aber vielleicht denken ja einige ein Wenig darüber nach, wie sich die Landwirtschaft künftig entwickeln soll. Vielleicht geben diese Zeilen einen Anstoss zum Nachdenken.

 

Wir stehen im Moment einer schier unüberschaubaren Vielzahl von Problemen und Herausforderungen gegenüber und eine einfache Lösung wird uns nicht in den Schoss fallen. Deshalb hilft es doch sicherlich, ein wenig darüber nachzudenken – schliesslich geht es um unsere Existenzgrundlage. Bis dann, feiert schön, rutscht gut herüber und häbet Sorg.

 

Teil 16: Ich kann es nicht mehr ertragen - Schweizer Bauer
Teil 15: Sturmgewehr gegen Blackeneisen getauscht
Teil 14: «Wie heisst schon wieder dieses Kraut?» – Schweizer Bauer
Teil 13: Ahoi, ich bins wieder mal – Schweizer Bauer
Teil 12: «Vielleicht habe ich einfach ADHS» – Schweizer Bauer
Teil 11: Augen nach vorn – Schweizer Bauer
Teil 10: «Du bekommst ganz sicher den ‹Verleider›» – Schweizer Bauer
Teil 9: «Nur das Leben auf eigenen Hof ist besser» – Schweizer Bauer
Teil 8: «Nur Müll fressen und alles verdrecken» – Schweizer Bauer
Teil 7: Neue Frisur und ein ungeheurer Schatten – Schweizer Bauer
Teil 6: «Ich gehe fürs Klima in die Schule, statt sie zu schwänzen» – Schweizer Bauer
Teil 5:  Vom Prüfungspult auf die Piste
Teil 4: Prüfungsstress und Zeitmanagement
Teil 3: «Jahr beginnt für mich mit Corona»
Teil 2: Vom Traktor in den Hörsaal
Teil 1: Neuanfang an der Hochschule

Kommentare (2)

Sortieren nach:Likes|Datum
  • Wallimann Josef | 26.12.2022
    Es gibt die Koste- Nutzen Schere.
    Was nutzt es das Geld vom Mehrertrag (Milch, Fleisch etc.) gleich für Medikamente, Tierarzt o.Ä. auszugeben?
    In einer Doku habe ich einen deutschen Bauern gehört, der heute 1/3 weniger Milch aus den Kühen heraus presst und genau deswegen am Ende des Monats mehr Geld verdient hat, welches ihm bleibt.
  • don't look up | 25.12.2022
    Naturbasierte Lösungen spannen mit der Natur zusammen, generieren Wertschöpfung und kommen – sofern gut durchdacht – der Biodiversität, dem Klima und der menschlichen Gesundheit zugute. Sie sind multifunktional und können sich selbst erhalten. Das macht sie oft anpassungsfähiger, widerstandsfähiger und im Unterhalt günstiger als technische Lösungen.

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