Am Montag waren Landwirte zum Auftakt einer Protestwoche bundesweit mit zehntausenden Traktoren unterwegs gewesen. Sie besetzten vorübergehend zahlreiche Autobahnauffahrten sowie Verkehrsknotenpunkte und organisierten langsam fahrende Konvois, die sich zu Kundgebungen in Städten versammelten.
Bevölkerung steht hinter Bauern
In einer repräsentativen Umfrage des Instituts Yougov für die Deutsche Presse-Agentur gaben 45 Prozent an, sie hielten die Aktionen für voll und ganz gerechtfertigt. Weitere 27 Prozent sehen die Proteste als «eher gerechtfertigt» an. Etwa jeder fünfte Befragte ist nicht oder überhaupt nicht damit einverstanden.
In vielen Städten und Regionen versammelten sich zehntausende Landwirtinnen und Landwirte. Der Deutsche Bauernverband sprach von insgesamt 100’000 Traktoren bundesweit. -> Einen Überblick der durchgeführten Aktionen gibt es hier
Die Proteste halten weiterhin an. Die Kundgebungen sind zwar nicht mehr so zahlreich. Doch weiterhin gehen tausende Bauern auf die Strasse. Der Höhepunkt der Aktionswoche soll am kommenden Montag (15. Januar) eine Demonstration in Berlin sein.
«Bürokratie ist unmessbar gross»
Landwirtin Susanne Böhmer aus dem süddeutschen Ravensburg erklärte gegenüber «Schweizer Bauer», weshalb sie am Protest teilgenommen hat: «Wir stehen heute für uns ein: denn zu viel ist zu viel. Die Steuerermässigungen, welche die Bundesregierung uns gestrichen hat, war jetzt nur die Spitze des Eisberges. Wir möchten aufmerksam machen auf die heimische und regionale Landwirtschaft, deswegen sind wir da.»
Susanne Böhmer aus Berg bei Ravensburg (D) führt gemeinsam mit ihrem Mann einen Milchviehbetrieb.
Anine Hungerbühler
Man habe keine Möglichkeiten, diese Kosten weiterzugeben. Man müsse den Gürtel enger schnallen. Sie führt auch andere Probleme auf: «Wir sind sehr eingeschränkt in unserer Bewirtschaftung. Wir haben fünf Prozent Flächenstilllegung, die Agrarwiesenvergünstigung wurden uns jetzt gestrichen. Wir bekommen immer mehr Auflagen und Vorschriften, die Bürokratie ist unmessbar gross.» -> Das gesamte Interview gibt es hier
Geplante Kürzungen zurücknehmen
Der Bauernverband will mit den Aktionen dafür sorgen, dass die Bundesregierung die geplante Streichung von Steuervergünstigungen vollständig zurücknimmt. Die Ampel-Koalition von SPD, Grünen und FDP hatte am Donnerstag angekündigt, sie wolle einen Teil der angedachten Kürzungen doch nicht umsetzen.
Die Abschaffung der Rückerstattung bei der Mineralölsteuer soll nicht in einem Schritt vollzogen werden. Sie soll erst bis 2026 vollständig erfolgen. 2024 soll die Rückerstattung zunächst um 40 Prozent gekürzt werden. In den Jahren 2025 und 2026 wird jeweils eine weitere Reduzierung um 30 % erfolgen. Die Rückvergütung für das Jahr 2023 ist nicht betroffen. Die Befreiung der Traktoren von der Fahrzeugsteuer soll beibehalten werden. Wird die Rückvergütung abgeschafft, entgehen den Bauern insgesamt Steuervergünstigungen von rund 450 Millionen Euro.
Die Landwirtinnen und Landwirte wünschen sich zudem mehr Wertschätzung für ihre Arbeit. Und sie beklagen die ausufernde Bürokratie und sowie die steigende Anzahl an Vorschriften. Weiter kritisiert werden auch die fehlenden Perspektiven. Die Bauern wissen nicht mehr, welche Richtung die Politik einschlagen will.
Stiefel an Ortstafeln
Die Protestaktionen haben der deutschen Landwirte wurden auch von niederländischen oder österreichischen Bauern unterstützt. Auch Schweizer Landwirtinnen und Landwirte solidarisieren sich mit ihren nördlichen Berufskollegen. So wurden in mehreren Dörfern Stiefel an den Ortstafeln angebracht.
Vanessa Monhart, Bäuerin in Wildensbuch ZH, sagt dazu gegenüber «Schweizer Bauer»: «Wir zeigen mit dem Aufhängen der Gummistiefel an den Ortstafeln, dass wir solidarisch sind mit unseren Berufskollegen speziell in Deutschland, aber auch in ganz Europa. Die aufgehängten Gummistiefel zeigen auf, dass die Bauern genug haben von immer neuen kostentreibenden Vorschriften und einer völlig überbordenden Bürokratie. Das gilt auch für die Schweiz.»
Auch der Zürcher Bauernverband (ZBV) solidarisiert sich mit den deutschen Bauern. «Die Entscheide einzelner benachbarten Landesregierungen gegen die Bauern lösen bei uns Kopfschütteln aus», schrieb der Zürcher Bauernverband in einer Mitteilung. Damit werde die Zukunft der Landwirte und der eigenen Landesversorgung bewusst aufs Spiel gesetzt. «Für friedliche Protestaktionen unserer Berufskollegen haben wir vollstes Verständnis und solidarisieren uns mit ihnen», heisst es weiter.
«Ohne Landwirte keine Wirtschaft»
Auch die Leserkommentare sprechen eine klare Sprache. So schreibt Andi V.: «Ohne die Landwirte gäbe es keine Lebensmittel. Und dann bricht auch die Wirtschaft zusammen. Es kann nicht sein, dass ständig alles günstiger wird und die Landwirte umsonst arbeiten. Subventionen erhalten nur Industriebetriebe oder die Pharmaindustrie, die gar keinen Wettbewerb kennen und sich in einer geschützten ‘Werkstatt’ befinden.»
Schweizerbauer.ch-Leser Martin schreibt: «Die Erträge der Mineralölsteuer und der vom Bund vereinnahmten Fahrzeugsteuer dienen vorwiegend der Finanzierung der Autobahnen. Diese werden von den Bauern nicht benutzt, die Bauern verbrauchen den Treibstoff vorwiegend auf dem Feld und auf den Gemeinde- und Flurstrasse.» Wenn die Bauern für den auf dem Feld verbrauchten Treibstoff die Autobahnen mitfinanzieren müssten, sei dies eine Subventionierung der Autobahnnutzer (ein Luxusgut) durch die Landwirtschaft und letztlich durch den auf Nahrungsmittel (Grundbedarf) angewiesenen Konsumenten. Das sei völlig abwegig und nicht gerechtfertigt. «Die deutschen Bauern haben recht, wenn sie sich dagegen wehren», schreibt er weiter.
«Schweizer Verbände können sich einbringen»
Beim Schweizer Bauernverband (SBV) kann man die Proteste der deutschen Landwirte gut verstehen. Weil sie in der Regierung keine Stimme hätten und auch sonst wenig mitreden können, bleibe ihnen praktisch nichts anderes übrig, als mit den Traktoren aufzufahren. «Sie sind zurzeit ohnmächtig gegenüber den Entscheiden der Politik», sagte SBV-Präsident Markus Ritter gegenüber «Blick». Eine landesweite Aktion hierzulande wie in Deutschland kann er sich nicht vorstellen. Schweizer Verbände könnten sich in der Politik viel mehr einbringen.
Auch Landwirt und Nationalrat Martin Haab (SVP/ZH) hält derzeit eine Protestaktion für «unangebracht». Anläufe, die Rückerstattung der Mineralölsteuer zu streichen, seien bisher misslungen. «Würde es aber auch in der Schweiz so weit kommen, dann würden die Schweizer Bauern wohl auch auf die Strasse gehen», sagte Haab zu «Blick».
Unmut steigt auch in der Schweiz
Doch 2024 könnte es bei den Schweizer Bauern zu Unmutskundgebungen kommen. Das sagte jedenfalls Landwirt und Nationalrat Manuel Strupler (SVP/TG) zu den «TX-Medien»: «Viele Bauernfamilien laufen am Anschlag und leiden unter den immer neuen Auflagen und Einkommensverlusten.»
Manuel Strupler schliesst Proteste von Schweizer Landwirten zu einem späteren Zeitpunkt nicht aus.
Isabelle Schwander
Entscheidenden Einfluss hätte der Ausgang der Biodiversitätsinitiative, die mehr Geld und Fläche für die Biodiversität in der Schweiz fordere. Bei einem Ja könne sich die Situation zuspitzen. «Das Frustpotenzial in der Landwirtschaft wird sicher noch grösser, was dann auch zu Protesten führen könnte», sagte Strupler zu den «TX-Medien».
Dem Flugverkehr? Der zubetonierung der Landschaft? Ich denke, in der Schweiz haben wir nach wie vor eine sehr vorbildliche Landwirtschaft....
Und denk dran, auch Du möchtest drei mal am Tag essen, egal ob Fleisch, Vegi oder Vegan, es kommt alles von den Bauern....im Inland sowie im Ausland
Bitte sich richtig informieren, anschliessend überarbeiten und neu zum Tapet bringen.
Danke.
Von der Agenda 2030 haben Sie wohl auch noch nie gehört?