Wir sind in unserer Gesellschaft sehr gewohnt, hohe bis sehr hohe Summen an Geld in Material und Infrastruktur zu investieren: beispielsweise Hackgeräte, Schleppschläuche, Gebäude oder Melkrobotik. Aber auch teure Ferien, Therapien oder Geräte, die Wunderheilungen versprechen, stehen nicht selten auf dem Plan.
Für grössere Investitionen auf einem Hof werden oft technische und logische Argumente miteinander abgewogen, mit dem Ziel das Einkommen zu erhöhen oder Abläufe zu erleichtern. Aber ob das wirklich der tiefen inneren Motivation entspricht, wird meistens nicht überprüft.
Zwei Arten von Investitionen
Handelt es sich bei der Investition um Gebäude, wird eine sehr hohe Summe an Geld reingesteckt, die anschliessend über viele Jahre abbezahlt werden muss. Das bindet ungemein. Entspricht diese Investition aber nicht der innersten Motivation, dann wird sie nach der anfänglichen Freude bald zur Last. Solche Fälle sind mir schon zu oft begegnet, als dass ich darüber hinweg schauen könnte.
Es gibt zwei grosse Kategorien von Investitionen. Es gibt zum einen Investitionen, die dazu dienen, ein neues Standbein und neue Einnahmequellen zu generieren. Solche Investitionen können sich idealerweise selbst und ohne Quersubventionierung amortisieren.
Zum anderen gibt es Investitionen, die keine direkte Rendite abwerfen. Dies sind beispielsweise ein Hausumbau, ein Wagenschopf oder Investitionen, um neue Normen einzuhalten. Bei dieser Art von Investition muss man ganz genau hinschauen, dass sie einen anderen hohen Nutzen bringen als Geld. Beispielsweise Freude, eine bessere Lebensqualität oder höhere Effizienz. Dieser Nutzen muss gut abgewogen werden.
Mensch wird kaum betrachtet
Aber warum investiert man denn eigentlich hohe Summen auf einem Hof? Gerne schicke ich voraus, dass es nicht möglich ist, über längere Dauer nicht zu investieren. Investieren ist wichtig, um die Produktionsgrundlage zu erhalten und zu modernisieren, das ist klar. Aber in was investiert man denn am besten? Und was wirft die beste Rendite ab?
Ich gebe hier gerne eine ungewöhnliche Antwort, die ich anschliessend erkläre: Investiere zuerst in dich selbst. Als Agronomin beschäftigte ich mich früher oft mit technischen, finanziellen oder anderen Problemen und studierte diese bis ins letzte Detail. Die Menschen im Zentrum beachteten wir als Agronomen aber meistens kaum.
Ich sah jedoch, dass ihr Wohlbefinden nicht primär von einem neuen Gebäude, einem optimierten Betriebszweig oder einem neuen Traktor abhängt. Viel massgebendere Faktoren wie beispielsweise die vielen Beziehungen, die mit hineinspielen. Das ist mir schon eine Weile klar und war meine tiefe innere Motivation das zu tun, was ich heute tue.
Oft lange verdrängt
Somit stelle ich bei meiner neuen Tätigkeit den Menschen ganz klar ins Zentrum. Nur er kann mit einer Investition oder Hofstrategie eine wirklich nachhaltige Veränderung herbeiführen. Und zwar aus seiner inneren Motivation heraus. So verzichte ich in meinen Coachings gänzlich auf irgendwelche «guten» Ideen, die beispielsweise zu noch mehr Arbeit führen.
Im Coaching geht es darum in verflochtenen Situationen die wahre innere Motivation anzuzapfen. Dabei zeigen sich oft auch schon lange verdrängte oder vielleicht ungeahnte Fähigkeiten und Leidenschaften. Diese bilden die wirklich nachhaltige Grundlage, um eine Zukunft mit wirklicher Zufriedenheit zu planen.
Wirft grösste Rendite ab
Nur mit dieser inneren Motivation kann tatsächliche Freude entstehen. Diese führt zu einem kraftvollen Antrieb, den es in herausfordernden Situationen, die es immer wieder gibt, und die zum Leben dazugehören, braucht. Aus meiner Sicht wirft dieser menschenzentrierte Ansatz langfristig die grösste Rendite ab. Denn auch der beste Stall kann mit einem deprimierten Bauern nicht funktionieren.
Und dabei wird nicht selten plötzlich aus weniger mehr. So nenne ich sehr gerne das Beispiel eines Kunden, der dank dem Coaching von seiner langjährigen Milchviehhaltung auf Mutterkuhhaltung umstellen konnte. Die Frage und grosse Angst bestand natürlich darin, dass das ausfallende Einkommen anders gedeckt werden musste.
Im Coaching-Prozess wurde klar, dass mehr sozialer Kontakt ein grosser Wunsch darstellte. In der nahe gelegenen Gärtnerei fand er rasch einen idealem Job, der diesen Wunsch erfüllte. Und als Rosine obendrauf konnte der Bauer sein aussergewöhnliches Handwerks-Hobby zu einem bedeutenderen finanziellen Standbein aufbauen.
Der Kunde hatte also am Schluss mehr Freiraum, mehr Freizeit, mehr soziale Kontakte, mehr Zufriedenheit und sogar noch mehr Geld. Er schrieb mir kürzlich nochmals: «Ich weiss nicht, wo ich ohne deine Hilfe jetzt stehen würde.»
Oft unkonventionell
Investitionen und Hofstrategien, die auf inneren Ressourcen und intrinsischer Motivation der Menschen aufbauen, sind oft unkonventionell. Denn meistens schlummern ganz verborgene Sehnsüchte und Ressourcen, die schon lange verdrängt wurden.
Mit Sätzen wie: «Hör auf zu träumen» oder «Das geht sowieso nicht». Ich rate, wenns ums Investieren geht: Nimm dir Zeit für eine umfassende Innenschau und beginne, verborgene Träume wieder aufleben zu lassen. Das braucht Mut, weil zuerst alles als unmöglich erscheint. Aber so gehts.
Kolumne mit Barbara Eiselen
Barbara Eiselen ist Agronomin und war viele Jahre in der landwirtschaftlichen Lehre und Forschung in den Bereichen Betriebswirtschaft, Agrarpolitik und -märkte tätig. Sie schreibt einmal im Monat für den «Schweizer Bauer» und greift in ihrer Kolumne Themen auf, die unsere Leser beschäftigen.
In ihrer beruflichen Laufbahn erkannte sie, dass es sich bei Hofstrategien und betriebswirtschaftlichen Fragestellungen meistens um tieferliegende Themen handelt.
Barbara Eiselen bildete sich fort in den Bereichen Coaching, Psychologie und Familiensysteme und ist heute selbstständige Beraterin. Sie hat die Vision, die Hemmschwelle für Tabu-Themen in der Landwirtschaft zu brechen, so dass man sich frühzeitig Hilfe für die wahren Probleme holen darf.
Sie nennt es «den Service für die Seele, die Psyche und die Ehe, genauso wie der Traktor auch seinen jährlichen Service bekommt». Eiselen ist Bauerntochter und Schwiegertochter einer Bauernfamilie.
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Barbara Eiselen ist Agronomin und war viele Jahre in der landwirtschaftlichen Lehre und Forschung in den Bereichen Betriebswirtschaft, Agrarpolitik und -märkte tätig.
zvg
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