Am dritten Prozesstag im Tierschutzfall Hefenhofen gegen den ehemaligen Chef des Veterinäramts argumentierte dessen Verteidiger, dass die gesamte Thurgauer Behörde mit einem notorischen Querulanten überfordert war.
Anschuldigungen zurückgewiesen
Der Anwalt wies die Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft zurück, wonach der ehemalige Kantonstierarzt trotz bekannter Missstände auf dem Betrieb in Hefenhofen nichts gegen Tierschutzverstösse unternommen habe. Vielmehr hätte der damals zuständige Regierungsrat versucht, durch Deeskalation die Situation beim entsprechenden Tierhalter zu verbessern. Letzterer habe als renitent und gewaltbereit gegolten.
Diese Strategie hätten die zahlreich involvierten Stellen wie etwa das Landwirtschaftsamt, die Staatsanwaltschaft, das Amt für Umwelt oder der Rechtsdienst des zuständigen Departements an Sitzungen mitgetragen, so der Anwalt. Für die Durchsetzung eines Tierhalteverbots habe ausserdem die Unterstützung der Kantonspolizei gefehlt.
Zusätzlich hätte sich der Regierungsrat von den Kosten einer Hofräumung gefürchtet, die dieser aufgrund der vielen Tiere auf 700’000 Franken geschätzt habe. Sein Mandant könne deshalb nicht wegen Untätigkeit verurteilt werden, so der Anwalt weiter. Er stellte ihn als Opfer eines Staatsversagens dar.
Bedingte Haftstrafe gefordert
2017 schockierten Bilder von abgemagerten und toten Pferden eines Hofes in Hefenhofen die Öffentlichkeit. Nach medialem Druck räumten die Behörden schliesslich den Landwirtschaftsbetrieb und versteigerten 93 Pferde.
Die Staatsanwaltschaft forderte gegen den damaligen Kantonstierarzt eine bedingte Haftstrafe von 18 Monaten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Beschuldigten vor, über Jahre von diversen Missständen auf dem Landwirtschaftsbetrieb gewusst zu haben und untätig geblieben zu sein.
Immunität für Regierungsrat
Bei Kontrollen waren gemäss Staatsanwaltschaft immer wieder festgestellt worden, dass ein damals bereits rechtskräftiges Teiltierhalteverbot vom renitenten Pferdezüchter nicht eingehalten wurde.
Mehrfach seien abgemagerte Tiere, fehlendes Wasser, vergammeltes Brot, aber auch verdreckte Ställe vorgefunden worden. «Trotz dieser Kenntnisse wurde nichts unternommen», sagte die Staatsanwältin am zweiten Prozesstag. Der Kantonstierarzt wäre aber zu Massnahmen verpflichtet gewesen, hätte zumindest Verstösse zur Anzeige bringen müssen.
Gericht stellt Urteil in einem Monat in Aussicht
Dem ehemaligen Amtstierarzt werden mehrfacher Amtsmissbrauch, Begünstigung durch Unterlassung, Tierquälerei durch Unterlassung, Gläubigerschädigung und ungetreue Geschäftsbesorgung vorgeworfen.
Nebst dem ehemaligen Leiter des Thurgauer Veterinäramts werden drei weitere damalige Mitarbeiter des Veterinäramts beschuldigt. Auch ihre Anwälte plädierten am Dienstag für einen vollumfänglichen Freispruch. Für den Prozess sind weitere Verhandlungstage geplant. Die Urteilseröffnung ist für 19. März angekündigt.
Landwirt erstinstanzlich von Tierquälerei freigesprochen
Diese juristische Aufarbeitung gründet auf Strafanzeigen von Tierschützern aus dem Jahr 2017. Eine solche reichten sie auch gegen den verantwortlichen Regierungsrat ein. Das Büro des Kantonsparlaments lehnte die nötige Ermächtigung für ein Strafverfahren gegen diesen jedoch ab; es sah politische Gründe hinter der Anzeige.
Der Landwirt aus Hefenhofen stand im März 2023 in einem separaten Verfahren unter anderem wegen mehrfacher Tierquälerei vor dem Bezirksgericht Arbon. Dieses sprach den ehemaligen Pferdezüchter von zahlreichen Vorwürfen frei.
Er fordert Schadenersatz
Die meisten vorgelegten «Beweise», mit denen die Staatsanwaltschaft den vorbestraften Tierquäler mehr als sechs Jahre hinter Gitter bringen wollte, seien nicht verwertbar, hiess es im Urteil. Die Staatsanwaltschaft zog den Fall weiter ans Obergericht, wo er hängig ist.
Im Prozess gegen die damaligen Kantonsangestellten tritt der Pferdezüchter als Privatkläger auf. Er stellt sich auf den Standpunkt, die Hofräumung sei widerrechtlich durchgeführt, seine Pferde zu günstig versteigert worden. Gemäss Anklageschrift fordert er Schadenersatz von 2,6 Millionen Franken.
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