Natürlich braucht es abgesehen von stimmigen Rahmenbedingungen auch immer ein persönlicher Effort der Betriebsleitenden, damit die Produktion gesund weiterentwickelt werden kann. Doch kenne ich viele Beispiele, in welchen es nicht daran mangelt. Zwei dieser Beispiele möchte ich hier benennen.
Mangelnde Wertschätzung
Starten wir zuerst mit dem Beispiel meiner Eltern. Die mangelnde Wertschätzung in den grossen Absatzkanälen waren ihnen schon damals ein Dorn im Auge. Deshalb versuchten schon sie die Wertschöpfung für die Produktion zu erhöhen, das war noch im letzten Jahrhundert. Sie bauten also eine Direktvermarktung von Rindfleisch auf, boten ein Selbstpflückfeld für Erdbeeren an und verfolgten dabei die Richtlinien des biologischen Landbaus.
Das Resultat? Sehr viel Arbeit, eher wenig Einkommen und viel Stress. Das war für mich als Bauerntochter nicht immer angenehm. Viele Landwirte unternehmen ähnliche Innovationen und kommen in schwierige Situationen wie meine Eltern.
Den Spiess umdrehen
Kürzlich hat ein Coaching-Kunde eine neue Hofstrategie entwickelt. Sie könnte eine Antwort auf die grosse Frage der Wertschätzung sein. Achtung, sie ist unkonventionell und dreht den Spiess ganz einfach um. Wie das geht?
Die erfolgsversprechende Hofstrategie ist jene vom Farngut in Grossaffolern im Kanton Bern. Der Auslöser für die neue Strategie liess keine extra Zeit zu. Der Gemüsebaubetrieb verlor nämlich von einem Tag auf den anderen ein bedeutenden Umsatz. Der Abnahmepreis für das umsatzstärkste Gemüse des Hofes wurde vom Abnehmer massiv gesenkt. Der Entschluss stand also fest: es muss etwas ändern.
Die daraufhin neu entwickelte Hofstrategie verspricht das Gelbe vom Ei. Eine Bewirtschaftung des Betriebs, wie sie dem Betriebsleiter Freude bereitet und die zudem vollumfänglich fair entgolten wird. Der Start war eine Vision: genügend hohe Löhne für die Mitarbeitenden, bodenschonende Anbauverfahren und ein Gesamtangebot in einem Gesamtpacket. Der Kunde des Farnguts bekommt also das, was das Farngut und der langjährige Partnerbetrieb an Produkten das ganze Jahr über hergeben. Ohne Food-Waste, saisonal und regional. Nachhaltig eben.
Zur Person
Barbara Eiselen ist Agronomin und war viele Jahre in der landwirtschaftlichen Lehre und Forschung in den Bereichen Betriebswirtschaft, Agrarpolitik und -märkte tätig. In ihrer beruflichen Laufbahn erkannte sie, dass es sich bei Hofstrategien und betriebswirtschaftlichen Fragestellungen meistens um tieferliegende Themen handelt.
Barbara Eiselen bildete sich fort in den Bereichen Coaching, Psychologie und Familiensysteme und ist heute selbstständige Beraterin. Sie hat die Vision, die Hemmschwelle für Tabu-Themen in der Landwirtschaft zu brechen, so dass man sich frühzeitig Hilfe für die wahren Probleme holen darf.
Sie nennt es «den Service für die Seele, die Psyche und die Ehe, genauso wie der Traktor auch seinen jährlichen Service bekommt». Eiselen ist Bauerntochter und Schwiegertochter einer Bauernfamilie.
«Entwicklungshilfe vor der Haustüre»
Im Gesamtangebot enthalten sind eine Beziehung vom Kunde zum Hof sowie diverse Gemüsesorten, Obst, Hülsenfrüchte, Brot, verarbeitete Produkte, Milch, Fleisch, Hoffeste, ein eigenes Stück Land à la Schrebergarten, Verweilen auf dem Hof, Kleintierzoo. Anstatt bei einer wohltätigen Organisation zu spenden, besteht für den Kunden die Möglichkeit, bei seinem Bauer in der Region ein wirklich nachhaltiges Angebot zu geniessen und gleichzeitig «Starthilfe vor der Haustüre» zu leisten.
Der Preis deckt die Kosten so, dass der Landwirtschaftsbetrieb wirklich nachhaltig sein kann. Der Spiess ist umgedreht. Und zwar so: Der Preis ist weder vom Abnehmer noch vom Konkurrenzangebot bestimmt, sondern von den tatsächlichen Leistungen des Hofes an die Natur und an sozial tragbare Löhne für die Mitarbeitenden.
Es braucht viel Kraft
In dieser Hofstrategie ging es nicht ohne Schweissperlen und nicht ohne Angst. Im Gegenteil: Es brauchte sehr viele eigene Kraft vom ganzen Team und ein hohes Vertrauen in die Vision. Zudem gab es bisher keine unterstützenden Rahmenbedingungen. Zu riskant, sagte die Bank. Zu langwierig und mühsam ist es irgendwelche Innovations-Anträge zu stellen. Zu dringend, um lange zu fackeln. Es musste sofort gehandelt werden. Ein risikofreudiger Finanzierungshelfer mit Vertrauen in die Vision des Landwirten wäre sicherlich hilfreich gewesen…
Auch Sie haben vermutlich das eine oder andere Vorhaben auf Ihrem Betrieb. Vielleicht ist es nicht ganz so risikofreudig wie jenes vom Farngut. Aber sicher würden Sie angemessene Rahmenbedingungen bejahen? Was bräuchten also Sie als Betriebsleiter oder Betriebsleiterin, um in Zukunft Ihre Arbeit immer noch motiviert tun zu können? Nehmen Sie gerne an der Umfrage unten teil.
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Franziska Kuratli, Studentin Agronomie, HAFL
Kolumne mit Barbara Eiselen
Barbara Eiselen ist Agronomin und war viele Jahre in der landwirtschaftlichen Lehre und Forschung in den Bereichen Betriebswirtschaft, Agrarpolitik und -märkte tätig. Sie schreibt einmal im Monat für den «Schweizer Bauer» und greift in ihrer Kolumne Themen auf, die unsere Leser beschäftigen.
In ihrer beruflichen Laufbahn erkannte sie, dass es sich bei Hofstrategien und betriebswirtschaftlichen Fragestellungen meistens um tieferliegende Themen handelt.
Barbara Eiselen bildete sich fort in den Bereichen Coaching, Psychologie und Familiensysteme und ist heute selbstständige Beraterin. Sie hat die Vision, die Hemmschwelle für Tabu-Themen in der Landwirtschaft zu brechen, so dass man sich frühzeitig Hilfe für die wahren Probleme holen darf.
Sie nennt es «den Service für die Seele, die Psyche und die Ehe, genauso wie der Traktor auch seinen jährlichen Service bekommt». Eiselen ist Bauerntochter und Schwiegertochter einer Bauernfamilie.
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