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«Vom Wää» zur Wunderknolle

Dominic Spahr (32) ist Landwirt und stellt sich neu der Herausforderung eines Agronomiestudiums. Regelmässig berichtet er, was er an der Hafl erlebt und was sonst so in seinem Leben passiert. Heute erzählt er von seiner Beziehung zu Kartoffeln.

Als ich noch ein kleiner Bub war, war ich ausserordentlich wählerisch, wenn es um die Nahrungsaufnahme ging. Es gab sehr viele Gerichte, die ich nicht mochte und mein Appetit war immer sehr kurz angebunden.

Als Kartoffelstock grusig war

Ich war auf gut deutsch gesagt saumässig schnäderfrääsig. Ich mag mich gut erinnern, wie mir meine Grossmutter einmal einen mit Liebe und Hingabe zubereiteten Kartoffelstock mit einer feinen Sauce und etwas Salat servierte und mein einziger Gedanke dabei war: «wää, so grusig».

Es war nicht leicht, mich zufrieden zu stellen. Ich mochte wirklich fast gar nichts gern. Ich habe mal irgendwo gelesen, dass sich die Geschmacksknospen mit zunehmendem Alter zurückbilden beziehungsweise deren Anzahl vermindert wird und man deshalb Geschmäcker immer weniger intensiv wahrnimmt.

In meinem Gaumen haben sich wohl mittlerweile sehr viele dieser Knospen verdünnisiert, denn ich reagiere Heute mit einigen Ausnahmen überhaupt nicht mehr empfindlich auf Geschmäcker. Viele Gerichte und Zutaten schätze ich heute sehr. Ich probiere alles gerne und hege nur noch gegen wenige Gerichte eine grundsätzliche Abneigung.

«Früher gabs jeden Tag Kartoffeln»

«Du solltest ein Bisschen dankbarer sein,» fuhr mich die Grossmutter damals etwas forsch an, nachdem sie beobachtet hatte, wie ich nur halbherzig im Teller herumgestochert und mein Ressentiment gegenüber dem Gericht mit einer gerümpften Nase offensichtlich zum Ausdruck gebracht hatte. «Ich mag aber Kartoffelstock nicht», erwiderte ich trotzig und schob den Teller von mir weg. «Ja was,» meinte sie «Kartoffeln sind dänk fein.

Früher gabs das bei uns jeden Tag». «Jeden Tag Kartoffelstock?» fragte ich ungläubig. «Nein», sagte sie und lächelte. «Es gab auch Rösti oder Gschwellti, Salzkartoffeln oder Gratin. Ganz viel haben wir damit gemacht.» «Das mag ich alles nicht », sagte ich, worauf sie erwiderte: «So gib es halt dem Bap (dem Grossvater), ich mache dir eine Omelette.»

Wunderpflanze

Ich denke heute noch oft an diese Unterhaltung – obwohl sie wohl nicht ganz genau so, aber ähnlich, stattgefunden hat, und ziehe mit zunehmendem Alter und der damit einhergehenden Reife und Besonnenheit zwei Schlüsse daraus: Erstens, dass wir ein unglaubliches Privileg geniessen, mit unserer schier unüberschaubaren Vielfalt an Lebensmitteln, die uns fast überall und zu jeder Zeit zur Verfügung steht und zweitens, was für eine erstaunliche Wunderpflanze die Kartoffel eigentlich ist.

Aber was für eine Pflanze ist es eigentlich? Sie zählt weder zu den Gemüsen – wie ich zuerst gedacht hatte – noch zu den Früchten. Sie ist keine Wurzel, wie etwa die Zuckerrübe und eine Beere ist sie erst recht nicht. Die WHO bezeichnet sie, zwar etwas unromantisch aber treffend, als «stärkehaltige Knolle», zu denen auch z.B. Topinambur oder Maniok gehören.

Grosses Lob an Produzenten

Wollte ich die ganzen Gerichte, die man aus Kartoffeln machen kann, würde es mir mangels Geduld bestimmt verleiden. Aber nicht nur ihre Vielseitigkeit machen die Knollen so wertvoll. Sie sind sättigend, gut lagerbar, sie sind eine bedeutende Quelle für Kohlenhydrate, Ballaststoffe, Vitamine und Spurenelemente und sie schmecken – mittlerweile auch mir – einfach gut.

Auf den ergiebigen Böden der Gärten meiner Eltern baue ich seit einigen Jahren auch regelmässig selber Kartoffeln an. In der Regel kommen sie ganz gut und geben eine reiche Ernte, die mir immer wieder deutlich veranschaulicht, wie bewundernswert diese Pflanze ist. Aus einer Knolle werden zehn. Fantastisch. Vor allem wenn man bedenkt, wie heikel diese Kultur ist und was dabei alles schieflaufen kann. An dieser Stelle möchte ich ein herzliches Merci und ein grosses Lob an alle Kartoffelproduzent*innen aussprechen.

Unser aller Leben wäre wohl ohne die Wunderknolle nicht dasselbe und auch meinen Alltag wird von der Kartoffel mittlerweile stärker geprägt, als ich es früher für möglich gehalten hätte. Inwiefern sie mich bereichert und welchen Einfluss sie auf mein Dasein hat, werde ich euch im nächsten Beitrag gerne erläutern. Bis dahin macht es gut, geniesst eure Kartoffelsalate und häbet Sorg.

Die bisherigen Blog-Einträge

 

Teil 19:  Der Schweizer Bauer: «Böden sind Grundlage unseres Seins»

Teil 18:   Ahoi! Hier bin ich wieder

Teil 17:   Wie soll sich Landwirtschaft weiter entwickeln? - Schweizer Bauer

Teil 16:   Ich kann es nicht mehr ertragen – Schweizer Bauer

Teil 15:   Sturmgewehr gegen Blackeneisen getauscht

Teil 14:   «Wie heisst schon wieder dieses Kraut?» – Schweizer Bauer

Teil 13:   Ahoi, ich bins wieder mal – Schweizer Bauer

Teil 12:   «Vielleicht habe ich einfach ADHS» – Schweizer Bauer

Teil 11:   Augen nach vorn – Schweizer Bauer

Teil 10:   «Du bekommst ganz sicher den ‹Verleider›» – Schweizer Bauer

Teil 9:   «Nur das Leben auf eigenen Hof ist besser» – Schweizer Bauer

Teil 8:   «Nur Müll fressen und alles verdrecken» – Schweizer Bauer

Teil 7:   Neue Frisur und ein ungeheurer Schatten – Schweizer Bauer

Teil 6:   «Ich gehe fürs Klima in die Schule, statt sie zu schwänzen» – Schweizer Bauer

Teil 5:    Vom Prüfungspult auf die Piste

Teil 4:   Prüfungsstress und Zeitmanagement

Teil 3:   «Jahr beginnt für mich mit Corona»

Teil 2:   Vom Traktor in den Hörsaal

Teil 1:   Neuanfang an der Hochschule

Kommentare (1)

Sortieren nach:Likes|Datum
  • Jürg Locher | 05.09.2023
    Die Kartoffel, also die Knolle, ist ein Langtrieb, der sich als unterirdische Speicherknolle ungebildet hat. Ich kenne etwa fünfhundert Rezepte für Kartoffeln, Topinambur und so, und als Kind liebte ich Kartoffeln, Sellerie, Karotten, Fenchel und Lauch aus dem Dampfkochtopf, natürlich mit viel Mayonaise. Bei meiner Grossmutter gab es oft zu Schweinsbraten selbstgemachten Kartoffelstock aus der Sorte Ackersegen, Mehligkochend, zog Milch und Anken auf, dass die fast wie Nidle runtergingen
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