Kartoffeln gedeihen am besten in einem gemässigten Klima ohne Extremtemperaturen und ohne sintflutartige Niederschläge, benötigen aber besonders während der Blütezeit und für die Knollenbildung eine regelmässige Versorgung mit Wasser. Der Boden sollte tiefgründig, gut durchlüftet, eher leicht und locker sein und sich rasch erwärmen können.
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Haben Sie sich auch schon gefragt, ob der Alltag nicht die besten Heldengeschichten schreibt?
Potenzial für grosse Veränderungen
In der folgenden Kolumne widme ich mich dem Heldentum des Kartoffelanbaus. Viele Heldengeschichten beginnen mit einer Mischung aus der Darstellung der Normalität und aufkommenden Schwierigkeiten, welche das Potenzial für grosse Veränderungen oder Abenteuer in sich trägt . Das tönt doch ganz nach einem herausfordernden Kartoffeljahr! Der Hauptdarsteller, die Hauptdarstellerin des Kartoffeluniversums könnte wie folgt heissen: Tartuffel Thor, Häppere Hulk, Potackenpool, Captain Gumel, Bilbo Potato oder das weibliche Pendant, Jeanne d’Äärdli. Als Freiburgerin erlaube ich mir meinen Helden HH alias Häppere Hulk zu nennen. Voilà und nun kanns losgehen:
An einem prachtvollen Herbstmorgen im Jahre 2023, einzelne Sonnenstrahlen beleuchten bereits den Himmel über den Freiburger Voralpen, begrüssen Singvögel Häppere Hulk. Er und seine Gefährten (Mitarbeiter) gehen ihrem gewohnten Arbeitsablauf auf dem Hof nach. Doch HH macht sich bereits Gedanken über das folgende Kartoffeljahr: Was wird wohl alles auf ihn zukommen? Wann und in welcher Form wird ihm Ungemach drohen?
Warmer Winter
Inzwischen bereitet er das Kartoffelfeld für den nächsten Frühling vor. Er widmet sich der Bodenbearbeitung und sät die Gründüngung. Zum Glück wird es ein schöner Herbst, der Herbst 2023. Er wird einer der wärmsten seit Messbeginn. Das hilft, um die Herbstarbeiten ohne grössere Verzögerungen zu erledigen, was seine Superkräfte schont.
Doch wie wird der Winter, zu nass, zu warm? Kann sich der Boden mit Hilfe der Frostgare erholen, um drohenden Schädlingen vorzubeugen? Tatsächlich wird auch der Winter überdurchschnittlich warm und nass und so haben es die Schädlinge äusserst gemütlich und entscheiden sich während der nächsten Kartoffelsaison zu bleiben. Häppere Hulk bereitet sich mental schon mal vor auf die Begegnung mit den «verdeckten Bösewichten».
Superkräfte sind gefordert
Der warme Winter schmilzt dahin und der Frühling zieht ein. Die Tage werden länger und immer nasser. HH blickt besorgt in den düsteren Himmel, denn gar die Sonne liess sich kaum mehr blicken u nd seine Vorahnung verwandelt sich in beklemmende Gewissheit: es wird spät mit setzen…, sehr spät. Was normalerweise ab Mitte April gemacht werden kann, verschiebt sich nun auf Mai, Anfang Juni. Zudem drohen kurz darauf Krautfäule und Kartoffelkäfer.
Häppere Hulk’s Superkräfte sind gefordert: mentale Stärke , Nerven wie Drahtseile (um u.a. den Dauerregen zu verdauen), noch schnellere Beine (um das enge Zeitfenster für die Pflanzung zu nutzen), Organisationstalent (um die perfekte Synchronizität von Arbeitsabläufen zu gewährleisten), blitzschnelle Entscheidungskompetenzen (wann, wieviel und wo: Leute, Traktoren, Pflanzenschutz usw.), überdurchschnittlich schnelle Regenerationszeit ((zu)wenig Schlaf) und Adlerblick (um den Überblick zu bewahren).
Beatrice Blaser berichtet einmal pro Monat in ihrer Kolumne, was sie beschäftigt.
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«Worst case» bleibt aus
Mitte Juni setzt dann kurz etwas Beruhigung ein und Häppere Hulk erlaubt sich eine ultrakurze Auszeit (einen ganzen Sonntag!) mit seiner Familie zum «Brätle». Doch die Unsicherheit, wie wohl die Früchte nach solch einem trüben Start aussehen würden (Kaliber, Drahtwürme, Mängel, Backfarbe, Stärke usw.), schlägt unmittelbar um sich, im ganzen Kartoffeluniversum.
Der Sommer steht an und der «worst case», viel zu lang zu trocken und zu heiss oder umgekehrt, bleibt aus. Die Wetterextreme vom Frühling «bügeln» sich etwas platt. Die Kartoffelpflanzen gedeihen und HH ist vorsichtig optimistisch. Nach einem zähen, nasskalten Start im Frühling, scheinen die Kartoffeln schon fast «gerettet» zu sein. Jetzt braucht es «nur» noch einen langen, warmen und trockenen Herbst, um eine reiche Ernte einfahren zu können. Und gottlob scheint Petrus den Bauern gut gesinnt zu sein. Doch die Befürchtung, dass vor dem ersten Frost die Bestände allenfalls noch nicht abgereift sein würden, hängt wie ein Damoklesschwert über dem Haupt des Helden.
Kämpft bis zum Schluss
Schliesslich kommt der Tag der Wahrheit, die Erntezeit startet. Erneut kommen die Superkräfte von HH zum Einsatz, wenn auch unter veränderten Umständen. Diesmal geht es um Grimme, Container (leer/voll), Erntepersonal, Lagerhalle, Paloxen, Stapler, Sandwiches, Hin- und Herfahrten, Lüften, Kühlen, Keimverhinderung, Wundheilung und, und, und. Dazwischen… nichts anderes. Volle Konzentration und Körpereinsatz sind gefordert.
Anfangs November dann die Erleichterung. Zwei Tage vor Minuskälte, sind die Kartoffeln unter Dach und Fach, dank des Heldeneinsatzes von Häppere Hulk und seinen treuen Gefährten. Jetzt bleibt nur noch die Beurteilung durch die Kontrolleure. Aber auch das geht gut aus, der Held hat das Kartoffeluniversum gerettet, Mission erfüllt. Zufrieden und glücklich blickt Häppere Hulk in den Sonnenuntergang hinter den Freiburger Voralpen und eine wärmende Zufriedenheit strahlt aus seinem Herzen.
Genau so stellt man sich doch eine echte Abenteuergeschichte und seinen Helden vor: mutig, stark und unverdrossen kämpft er bis zum Schluss, jeglichen Herausforderungen zum Trotz und am Schluss kehrt Ruhe ein, im Universum. Doch das nächste Heldenabenteuer lässt nicht auf sich warten und Häppere Hulk wird erneut gefordert sein…
Kolumne Beatrice Blaser
Die bereits erschienenen Einträge von Beatrice Blaser findet Ihr hier
Teil 1: Was ein Investmentbanker auf dem Hof lernen könnte
Teil 2: Wie viel Ferien Bauernfamilien machen
Teil 3: Hitzestress auf allen Ebenen
Teil 4: Was Pilze, Produzenten und Politiker gemeinsam haben
Teil 5: Warum die Zeit so schnell vergeht
Teil 6: Bodenständig entscheiden und handeln
Teil 7: BFF auf offener Ackerfläche: Eine Standortbestimmung
Teil 8: Wie man dieses Regenwetter aushalten kann
Teil 9: Wissen um die Mogelpackung