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Bäuerinnen, Bauern, Burnout und ein unschuldiger Nachbar

Barbara Eiselen gibt Einblicke in ihre Erfahrungen als Coach in der Landwirtschaft und erklärt, weshalb gerade innovative Landwirte und Landwirtinnen häufig mit einem Burnout in einer Auszeit landen und was man dagegen tun kann.

Barbara Eiselen |

Zu oft landen meiner Ansicht nach innovative Landwirte und Landwirtinnen mit Burnout in einer Auszeit. Wo liegt denn da der Hacken? Was läuft falsch? Und wo sind die guten Vorbilder? Bevor wir auf diese grossen Fragen eingehen, schauen wir doch zuerst an, was wir unter Innovation verstehen.

In meinem Leben früher als Bauerntochter und Agronomin war Innovation so etwas wie: neuer attraktiver Betriebszweig, Modernisierung der technischen Ausrüstung, Neubau, Vergrösserung. Professionalisierung. Investition. Also in der Regel mehr. Mit dem Ziel mehr Einkommen. Und mit der Folge mehr Arbeit.

Die Folge: Aufgabe des Hofes und Scheidung 

Mein Vater war meiner Meinung nach mit einem Erdbeer-Selbstpflückfeld und Rindfleisch-Verkauf in Mischpaketen ein innovativer Bauer. Dies fand in den 90er Jahren auf einem klassischen Milchwirtschaftsbetrieb mit Stallneubau statt. Das Ganze in Bio-Qualität und als Auslandschweizer in Frankreich. Was war das Resultat dieser Innovationen?

Grosse innere Spannungen in meiner Familie und meine Eltern sehr nahe dem Ausbrennen, dann leider Aufgabe des Hofes und Scheidung meiner Eltern. Waren diese Innovationen also nachhaltig? Ich würde mal mit gutem Gewissen sagen: Nein.

Solche Innovationen sehen aber meist sehr toll aus und ziehen die Aufmerksamkeit von landwirtschaftlichen Schulen und der Öffentlichkeit auf sich. Aber selten sind sie wirklich nachhaltig. Da fragt man sich: Was braucht es denn, wenn eine Innovation nicht zum Ausbrennen führen soll?

Innovation neu definieren

Aus meiner Coaching-Praxis kann ich bezeugen, dass das primäre Ziel von Betriebsleitenden, die mich aufsuchen, in der Regel nicht eine Innovation an sich ist. Das Ziel liegt fast immer auf einer ganz anderen Ebene und tönt häufig so: Mehr Lebensqualität, mehr Zeit, mehr Freude. Weniger Druck, weniger Belastung, weniger Funktionieren.

Wie kommen wir aber mit solchen Zielen zu einer attraktiven und innovativen Hofstrategie? Das kann aus meiner Sicht nur gelingen, wenn wir an dieser Stelle das Wort Innovation versuchen neu zu definieren. Also versuchen wir es. Wie wäre es mit: Aus weniger mehr machen. Mehr Lebensfreude, mehr Familienzeit, mehr Gelassenheit, mehr finanzieller Freiraum. Weniger Arbeit, weniger Druck, weniger Belastung, weniger Konflikte.

Zur Person

Barbara Eiselen ist Agronomin und war viele Jahre in der landwirtschaftlichen Lehre und Forschung in den Bereichen Betriebswirtschaft, Agrarpolitik und -märkte tätig. In ihrer beruflichen Laufbahn erkannte sie, dass es sich bei Hofstrategien und betriebswirtschaftlichen Fragestellungen meistens um tieferliegende Themen handelt.

Barbara Eiselen bildete sich fort in den Bereichen Coaching, Psychologie und Familiensysteme und ist heute selbstständige Beraterin. Sie hat die Vision, die Hemmschwelle für Tabu-Themen in der Landwirtschaft zu brechen, so dass man sich frühzeitig Hilfe für die wahren Probleme holen darf.

Sie nennt es «den Service für die Seele, die Psyche und die Ehe, genauso wie der Traktor auch seinen jährlichen Service bekommt». Eiselen ist Bauerntochter und Schwiegertochter einer Bauernfamilie.

Alles Hokuspokus?

Also eine Art Hokuspokus. Sicherlich fragen Sie sich, wie denn das geschehen soll. Und doch kann ich aus meiner Coaching-Praxis bestätigen, dass es einerseits ganz einfach ist und andererseits doch so schwer. Sonst würden es ja alle schon tun.

Das Einfache daran ist, dass man «nur» herausfinden muss, wofür man wirklich brennt, um so die Lebenskraft gezielt und fokussiert einzusetzen, anstatt auf irgendwelche trendige Betriebszweige, die gerade gut tönen und erfolgsversprechend sind, zu setzen.

Das Problem ist im Kopf

Das Schwierige sitzt zwischen unseren beiden Ohren. Im Kopf. Da laufen ganz gut einprogrammierte Programme im Hirn ab, die mancher Bauer davon abhält wirklich nachhaltig innovativ zu sein. Gerne möchte ich an dieser Stelle drei der geläufigsten Programme, die mir im Alltag begegnen, darlegen.

Das erste Programm ist das «Schönwetter-Programm». Man hat gegenüber dem Nachbarn, der Familie oder Freunden keine Probleme. Und dies, obwohl es im Inneren nur so brodelt und man an allen Ecken und Kanten ansteht. Dieses Programm durchzubrechen, braucht in der Regel viel Mut. Man muss nämlich zugeben, dass man gerade nicht mehr alles im Griff hat. Die Menschen, die sich das trauen, gewinnen am Schluss aber immer. Denn erst wenn man hinschaut, kann man auch wirklich etwas Grundlegendes ändern. Die Frage ist nur was. Das findet man im Prozess heraus.

Das zweite hinderliche Programm , ist das «die Anderen sind das Problem». Die Politik, die Märkte, der Abnehmer, die Ehefrau, die Eltern, der Schwiegersohn, etc. Auch wenn es in den meisten Fällen in irgendeiner Form vielleicht mit diesen auch Probleme gibt, so bringt einem dieses Programm beim besten Willen nicht weiter. Im Gegenteil, man verliert die Energie in sinnlosen Aufregungen, anstatt sich um die eigene Innovation und Erneuerung zu kümmern. Oft lenkt man sich damit von den wahren eigenen Handlungsmöglichkeiten ab.

Und das dritte Schadens-Programm ist «Ich muss Schulden abzahlen und kann in diesem Druck nichts ändern». Also eine super Ausrede, um nichts zu ändern. Dieses Programm stimmt insofern nicht, dass es immer Möglichkeiten zur Änderung auf anderen Ebenen gibt, auch wenn jetzt ein Stall abbezahlt werden muss. Beispielsweise konfliktfreiere und besser geregelte Zusammenarbeiten, mehr und klareres Delegieren, mehr Freude im Bestehenden finden.

Verändern statt verschulden

Gerade kürzlich hatte ich ein strahlendes Ehepaar vor mir, als es den Zweien wie Schuppen von den Augen fiel: Sie erkannten, dass es ihnen viel mehr Freude bereitet mit geringen Investitionen kreativ am Bestehenden etwas zu verändern, anstatt sich bis über beide Ohren zu verschulden.

In diesem Moment ist ihnen wirklich eine grosse Last von den Schultern abgefallen. Dieses Ehepaar wird gerade ein Vorbild für wahre nachhaltige neu definierte Innovation. Der Hochglanz wird aber nicht in schönen neuen Gebäuden zu sehen sein, sondern in ihren Augen und in ihrer Ausstrahlung.

Ausbrennen tut man nämlich nur dann, wenn man zu viel und zu lange von dem tut, was einem nicht wirklich erfüllt und man es zu spät merkt. Das Sabotage-Programm Nummer eins lässt hier grüssen.

Das Sprichwort: «Weniger ist mehr» hat also einen tiefen Sinn. Wenn es richtig angewendet wird, so ist es der der Schlüssel zur Innovation, die nicht ausbrennt.

Kolumne mit Barbara Eiselen 

Barbara Eiselen ist Agronomin und war viele Jahre in der landwirtschaftlichen Lehre und Forschung in den Bereichen Betriebswirtschaft, Agrarpolitik und -märkte tätig. Sie schreibt einmal im Monat für den «Schweizer Bauer» und greift in ihrer Kolumne Themen auf, die unsere Leser beschäftigen.

In ihrer beruflichen Laufbahn erkannte sie, dass es sich bei Hofstrategien und betriebswirtschaftlichen Fragestellungen meistens um tieferliegende Themen handelt.

Barbara Eiselen bildete sich fort in den Bereichen Coaching, Psychologie und Familiensysteme und ist heute selbstständige Beraterin. Sie hat die Vision, die Hemmschwelle für Tabu-Themen in der Landwirtschaft zu brechen, so dass man sich frühzeitig Hilfe für die wahren Probleme holen darf.

Sie nennt es «den Service für die Seele, die Psyche und die Ehe, genauso wie der Traktor auch seinen jährlichen Service bekommt». Eiselen ist Bauerntochter und Schwiegertochter einer Bauernfamilie.

Erschienene Artikel:

Hofübergabe:    Wie man den Hof in Frieden loslassen kann

Psychische Belastung in der Landwirtschaft:    Der Schuh drückt und die Beziehung leidet

Mehr Freizeit:    Ja zu welchem Zweck eigentlich?

Neuausrichtung des Hofes u. Investitionen:    «Investiert nicht nur in Stall, sondern auch in eure Vision»   

Rollenaufteilung Mann/Frau:    Die unsichtbare Knopf-Arbeit

Schwiegertochter und Schwiegereltern:    Die Schwiegertochter ist das Problem

Betrieb als einzige Lebenshoffnung:    Ist Arbeit wirklich der Lebenssinn?

Aufräumen und Ordnung:    «Aufräum-Aktion ist lebensverändernd»

Investieren:   Wo auf dem Hof investieren?

Rahmenbedingungen: Wie kann der Landwirt auch in Zukunft motiviert bleiben?

Fokus setzten:   «Betrieb nicht umkrempeln, sondern Fokus setzen»

Kommentare (1)

Sortieren nach:Likes|Datum
  • Sandra | 01.09.2024
    Danke Barbara, sehr spannend und gute Inputs!
    Lg Sandra (Freundin von Nina)
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