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«Ein echter Bauer hat Milchkühe»

Barbara Eiselen gibt Einblicke in ihre Erfahrungen als Coach in der Landwirtschaft und erklärt, warum sich so viele Bauern an ihr Milchvieh klammern.

Barbara Eiselen |

«Ein echter Bauer hat Milchkühe» Auch wenn diese Gedankenfestung mit den vielen Ausstiegen aus der Milchviehhaltung in der Schweiz in den letzten Jahren doch etwas aufgeweicht wurde, so treffe ich sie doch noch sehr häufig in meinen Coachings an. Viele meinen, die Schweiz sei per se ein Milchland.

Es kommen so tiefsitzende Fragen hoch, wie: «Wer ist denn der Bauer noch, wenn morgens und abends keine Melkmaschine mehr schnürelet und er seine Milch plötzlich im Migros kaufen muss?» Ist dann die Seele vom Hof weg?

Ist Schweiz wirklich ein Milchland?

Aber woher kommt denn diese Gedankenfestung eigentlich? Werfen wir doch mal ein Blick in die Geschichte. Wir müssen gar nicht so weit zurückgehen, um festzustellen, dass die Schweiz noch gar nicht lange ein Milchland ist! Wer wusste das schon?

Die Schweiz war nämlich sehr lange ein Getreide- und Ackerland. Die kleinsten Parzellen, die im Oberwallis teilweise noch sichtbar sind, zeugen davon. Man hatte ein paar Tiere für die eigene Versorgung mit Milch und Fleisch. Aber, dass Milch im grossen Stil produziert wird, kam erst mit der Erfindung der Dampfmaschine auf. Mit dieser Erfindung wurden erste Eisenbahnen gebaut, mit welchen plötzlich grössere Mengen an billigem Getreide aus Ungarn und Russland importiert wurden.

Dies warf die Getreidemärkte, die damals noch gar nicht geschützt waren, völlig durcheinander. Dies war am Ende des 19. Jahrhunderts, um 1860 herum. Der Preis für Getreide sank. Und erst da begann man in der Schweiz in die Milchproduktion zu investieren.

Es ging sogar bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts, bis die grossflächige Mechanisierung mit Melkmaschinen überhaupt begann, also vor rund 100 Jahren. Die Milchwirtschaft, welche wir heute kennen, hat also ihre Entwicklung erst vor rund 150 Jahren überhaupt gestartet.

Zur Person

Barbara Eiselen ist Agronomin und war viele Jahre in der landwirtschaftlichen Lehre und Forschung in den Bereichen Betriebswirtschaft, Agrarpolitik und -märkte tätig. In ihrer beruflichen Laufbahn erkannte sie, dass es sich bei Hofstrategien und betriebswirtschaftlichen Fragestellungen meistens um tieferliegende Themen handelt.

Barbara Eiselen bildete sich fort in den Bereichen Coaching, Psychologie und Familiensysteme und ist heute selbstständige Beraterin. Sie hat die Vision, die Hemmschwelle für Tabu-Themen in der Landwirtschaft zu brechen, so dass man sich frühzeitig Hilfe für die wahren Probleme holen darf.

Sie nennt es «den Service für die Seele, die Psyche und die Ehe, genauso wie der Traktor auch seinen jährlichen Service bekommt». Eiselen ist Bauerntochter und Schwiegertochter einer Bauernfamilie.

Eine Erscheinung der Industrialisierung

Die produzierte Milch musste natürlich auch verwertet werden und so entwickelte sich die nachgelagerte Milchindustrie mit beispielsweise Käse- und Schokoladenproduktion. Die Milchwirtschaft in der Schweiz ist somit keine uralte Schweizer Tradition, sondern eher eine Erscheinung der Moderne und der Industrialisierung. Die geschichtliche Entwicklung kann also nicht wirklich der Ursprung der eingangs erwähnten Gedankenfestung sein, wonach ein wahrer Bauer ein Milchbauer ist.

Warum aber, ist denn diese Gedankenfestung so stark, wenn sie doch nicht uralt ist? Ich setze einfach mal eine These in den Raum, die sicher nicht vollständig ist. Aber könnte es damit zu tun haben, dass eine Kuh einfach eine besondere und beruhigende Ausstrahlung hat und somit etwas mit dem Gemüt des Bauers macht? Geht es doch wieder einmal um Emotionen und um emotionale Bindung?

Warum ist uns Kuh so wichtig?

Auf mich jedenfalls haben Tiere der Rindergattung eine besondere Wirkung. Insbesondere Milchkühe sind einem durch das regelmässige Melken halt wirklich sehr nahe. Jeder Bauer, der seine Milchkühe weggibt, kann diese emotionale Bindung bezeugen, denn der Moment wo die Tiere weggehen, ist immer ein besonders schwerer. Das ist nicht wegzudiskutieren.

Mit einer Mutterkuh ist diese Bindung halt etwas weniger selbstverständlich. Und ohne Kühe ist diese Bindung ganz weg. Und eine Ziege, ein Schaf oder ein Alpaka kann nicht das gleiche Gefühl vermitteln.

Aber warum ist diese Bindung denn überhaupt so wichtig? Könnte es sein, dass wenn die Milchkühe mal weg sind, der Bauer plötzlich gefühlt alleine auf dem Hof dasteht, und sich dann zeigt, wie schwierig die Beziehung zur Frau eigentlich geworden ist? Kann es sein, dass ihm plötzlich etwas fehlt, was ihm diese Tiere gegeben haben? Kann es sein, dass wenn plötzlich morgens und abends die vertraute Melkmaschine nicht mehr surret, sich der Bauer etwas verloren fühlt und ihm eine gewisse Struktur fehlt?

Sehnsucht zur Flexibilität

All diese Fragen sind Anregungen, um herauszufinden, was einem denn wirklich so an diese Milchkühe bindet. Denn der Stundenlohn in der Milchproduktion kann es definitiv nicht sein! Ich habe zu viele Vollkostenrechnungen angestellt, dass klar ist, dass dieser Betriebszweig auf den meisten Betrieben einer der weniger rentableren ist.

So viele Bauern sehnen sich danach, endlich etwas mehr Flexibilität zu haben, weniger angebunden zu sein und etwas öfters in die Ferien gehen zu können. Die Milchkühe wegzugeben ist aber dann oft doch nicht so leicht. Findet man heraus, was die tiefere Ursache ist, fällt es dann schon etwas einfacher auszusteigen. Und natürlich braucht es eine Alternative, nur welche? Auch das wirft grössere Fragen auf, die nicht mit einem einzigen guten Ratschlag zu klären sind!

Sich die wichtigen Fragen stellen

Wenn es mit der Milchproduktion nicht mehr rund läuft, dann ist auf jeden Fall ein guter Moment gekommen, um die wirklich wichtigen Fragen zu stellen.

Ein Coaching kann in solch einer Lebenssituation einfach sehr wertvoll sein, um schlechte Entscheidungen zu vermeiden. Und ja, auch ohne Milchkühe kann man ein guter Bauer sein. Nur wie?

Kolumne mit Barbara Eiselen 

Barbara Eiselen ist Agronomin und war viele Jahre in der landwirtschaftlichen Lehre und Forschung in den Bereichen Betriebswirtschaft, Agrarpolitik und -märkte tätig. Sie schreibt einmal im Monat für den «Schweizer Bauer» und greift in ihrer Kolumne Themen auf, die unsere Leser beschäftigen.

In ihrer beruflichen Laufbahn erkannte sie, dass es sich bei Hofstrategien und betriebswirtschaftlichen Fragestellungen meistens um tieferliegende Themen handelt.

Barbara Eiselen bildete sich fort in den Bereichen Coaching, Psychologie und Familiensysteme und ist heute selbstständige Beraterin. Sie hat die Vision, die Hemmschwelle für Tabu-Themen in der Landwirtschaft zu brechen, so dass man sich frühzeitig Hilfe für die wahren Probleme holen darf.

Sie nennt es «den Service für die Seele, die Psyche und die Ehe, genauso wie der Traktor auch seinen jährlichen Service bekommt». Eiselen ist Bauerntochter und Schwiegertochter einer Bauernfamilie.

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Kommentare (1)

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  • Aaremiuchgiggu | 22.04.2025
    Bauern haben Kühe, Unternehmer Hühner oder Schweine!!!!
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