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Warum Solidarlandwirtschaft keine Zukunft hat

Barbara Eiselen gibt Einblicke in ihre Erfahrungen als Coach in der Landwirtschaft und erklärt, warum die meisten Projekte der Solidarischen Landwirtschaft zum Scheitern verurteilt sind.

Barbara Eiselen |

Oder andersherum gefragt, was braucht es, damit Solidarlandwirtschaft, kurz Solawi genannt, ein Modell der Zukunft sein kann? Wie gewöhnlich möchte ich mit diesem Artikel ein Anstoss zum Nachdenken geben, ohne den Anspruch auf vollständige Wahrheit zu haben.

Beginnen wir aber mit der Frage, was denn ein Solawi-Projekt überhaupt ist? Die kurze Antwort: Wie es das Wort schon verrät, geht es sowohl um Landwirtschaft als auch um Solidarität. Solawi ist ein Zusammentreffen von nicht in der Landwirtschaft lebenden Menschen, die oft aus Überzeugung einen direkten Bezug zur Landwirtschaft suchen und eines Landwirtschaftsbetriebes mit seinem Betriebsleiter oder Betriebsleiterin.

Oft entsteht dabei eine Gruppierung von Interessierten, die sich als Verein organisieren. Produziert werden in der Regel Grundnahrungsmittel wie beispielsweise Gemüse.

Mögliche Strategie

Aus der Sicht des Landwirtschaftsbetriebes stellt ein Solawi eine mögliche Hofstrategie dar. Entweder als Betriebszweig oder sogar als ganzer Betrieb.

In solchen Projekten sind viele Menschen involviert, es gibt viele Interaktionen und das interessiert mich natürlich sehr.

Der Hintergrund. Ganz generell entfernen sich Menschen in unserer Gesellschaft mehr und mehr von der Landwirtschaft und den natürlichen Produktionsgrundlagen. Die nicht landwirtschaftliche Bevölkerung hat oft idealisierte Bilder, welche mit den Realitäten auf den Höfen manchmal wenig zu tun haben. Diese Haltung empfinden viele Landwirte als bedrückend und abstossend.

Das Modell der Solidarlandwirtschaft ist ein Modell, welches die Entfremdung der nicht-landwirtschaftlichen Bevölkerung von der Produktion verringern soll. Menschen «aus der Stadt» oder Siedlungsgebieten gehen zurück auf die Höfe und legen selbst Hand an. Die Ernte wird unter den Mitgliedern verteilt und das Risiko von Ernteausfällen gemeinschaftlich getragen. Solche sozialen Projekte erlauben auch menschlichen Grundbedürfnissen wie Gemeinschaft unter Menschen oder eine sinnvolle Tätigkeit nach. Das Modell ist grundsätzlich viel versprechend und sollte eigentlich eine Win-Win Situation sein.

Leider funktionieren diese Modelle in der Praxis aber nicht immer ganz reibungslos. Was ja grundsätzlich auch normal ist, wenn so viele Menschen mit unterschiedlicher Herkunft und Denkweisen aufeinandertreffen. Der Hacken liegt nicht am Ziel, auch nicht an den Menschen oder ihren guten Absichten. Nein, der Haken liegt oft in der Organisationsstruktur und in der Verteilung von Kompetenzen und Verantwortungen.

Nicht praxistauglich?

In den Projekten, die ich kennen lernen durfte, waren grundsätzlich alle nötigen Grundlagen vorhanden: Land, Know-How, engagierte Menschen und gute Ernten. Folgende wichtige Fragen wurden aber oft im Rausch der Vision beim Start vernachlässigt: Wer genau trifft die Entscheidungen schlussendlich? Wer übernimmt die Ausbildung der unerfahrenen mithelfenden Mitglieder? Wie kommt ein Gemeinschafts-Gefühl tatsächlich zu Stande? Und wer trägt die Verantwortung dafür?

Entscheidungsprozesse waren zum Teil sehr schwerfällig, weil sich hinter den Diskussionen rund um die Produktion unsichtbare «Kämpfe» rund um Ideologien über die Produktion abspielten. Nicht selten besteht in solchen Projekten der Anspruch, dass alle Beteiligten in der Leitungsgruppe gleichberechtigt sind. Es ist somit unklar, welcher Mensch mit welcher «Ideologie» am Schluss die Entscheidung trifft und somit kommt es zum unterschwelligen Machtkampf.

Auch schwierig war es, dass oft wenige Menschen wirklich sitzendes Know-How in der Produktion haben und diese sind der Betriebsleiter selbst oder Angestellte unter seiner Regie. Nicht selten werden auch Maschinen und Infrastruktur vom Hof verwendet. Der Einfluss des Landwirtschaftsbetriebes ist also relativ bedeutend. Und doch spielt er in der Entscheidungsstruktur eine eher untergeordnete Rolle. Das macht viele Prozesse schwerfällig.

Zur Person

Barbara Eiselen ist Agronomin und war viele Jahre in der landwirtschaftlichen Lehre und Forschung in den Bereichen Betriebswirtschaft, Agrarpolitik und -märkte tätig. In ihrer beruflichen Laufbahn erkannte sie, dass es sich bei Hofstrategien und betriebswirtschaftlichen Fragestellungen meistens um tieferliegende Themen handelt.

Barbara Eiselen bildete sich fort in den Bereichen Coaching, Psychologie und Familiensysteme und ist heute selbstständige Beraterin. Sie hat die Vision, die Hemmschwelle für Tabu-Themen in der Landwirtschaft zu brechen, so dass man sich frühzeitig Hilfe für die wahren Probleme holen darf.

Sie nennt es «den Service für die Seele, die Psyche und die Ehe, genauso wie der Traktor auch seinen jährlichen Service bekommt». Eiselen ist Bauerntochter und Schwiegertochter einer Bauernfamilie.

Es braucht Klarheit

Was es also braucht, ist eine klare Verteilung von Verantwortung und Kompetenz, was nicht immer gegeben ist. Wer die Verantwortung für Entscheidungen in der Produktion trägt, sollte in der Produktion bewandert sein. Wer die Verantwortung für Entscheidungen in der Vermarkung trägt, sollte in der Vermarktung bewandert sein. Wer die Verantwortung für das Gemeinschafts-Gefühl trägt, sollte eine soziale Ader haben. Wer die Mithelfenden in den Arbeiten anleitet, sollte fachkundig und sozial bewandert sein. In vielen Fällen war dies zwar ansatzweise geregelt, aber es gab dabei noch ein grosses Problem. Diese Tätigkeiten waren in der Regel nicht entlöhnt. Und weil viele dieser Tätigkeiten auf betriebsnahe Personen fallen, die fachkompetent sind, stellt dies Arbeiten dar, die für den Betrieb nicht entlöhnt sind.

Damit ein Solawi-Projekt aus Sicht eines Landwirtschaftsbetriebes attraktiv ist und ein Erfolg darstellt, muss also gewährleistet sein, dass der Betriebsleiter eine gewisse Hoheit in Bezug auf die Produktion und die Ausbildung der Mitglieder bei sich behält. Nur so kann das Projekt kompetent gesteuert werden und nur so haben alle Mitglieder einen Gewinn daraus. Es ist nicht sinnvoll, wenn zwar interessierte und engagierte, nicht aber kompetente Menschen zu viel Entscheidungskompetenz haben. Das kann das Projekt unterminieren.

Es ist ebenfalls wichtig, dass so ein Projekt für den Landwirtschaftsbetrieb finanziell attraktiv ist, denn auf lange Dauer kann kein Projekt existieren, das nicht rentabel ist.

Landwirtschaft in der Verantwortung

Ich möchte hiermit also die Landwirtschaft in die Verantwortung bei solchen Projekten ziehen. Die Landwirtschaft hat die Verantwortung ihre Produktionsgrundlage und Realitäten der nicht landwirtschaftlichen Bevölkerung wieder näher zu bringen. Sie hat aber auch die Freiheit die Hoheit über das Projekt und den Ablauf zu halten. Aus meiner Sicht kann nur so eine Herangehensweise eine langfristige Win-Win Situation kreieren.

Die Landwirtschaft hat aus meiner Sicht ganz grunsätzlich ganz essentielle Werte, die sie der Gesellschaft wieder näher bringen und auch in Wert setzen darf: Bodenständigkeit, Arbeitsamkeit, Vertrauen und ein gesundes Bauchgefühl. Das braucht es um mit den Kapriolen des Wetters und anderen Vorgaben umgehen zu können.

Kolumne mit Barbara Eiselen 

Barbara Eiselen ist Agronomin und war viele Jahre in der landwirtschaftlichen Lehre und Forschung in den Bereichen Betriebswirtschaft, Agrarpolitik und -märkte tätig. Sie schreibt einmal im Monat für den «Schweizer Bauer» und greift in ihrer Kolumne Themen auf, die unsere Leser beschäftigen.

In ihrer beruflichen Laufbahn erkannte sie, dass es sich bei Hofstrategien und betriebswirtschaftlichen Fragestellungen meistens um tieferliegende Themen handelt.

Barbara Eiselen bildete sich fort in den Bereichen Coaching, Psychologie und Familiensysteme und ist heute selbstständige Beraterin. Sie hat die Vision, die Hemmschwelle für Tabu-Themen in der Landwirtschaft zu brechen, so dass man sich frühzeitig Hilfe für die wahren Probleme holen darf.

Sie nennt es «den Service für die Seele, die Psyche und die Ehe, genauso wie der Traktor auch seinen jährlichen Service bekommt». Eiselen ist Bauerntochter und Schwiegertochter einer Bauernfamilie.

Erschienene Artikel:

Burnout:  Bäuerinnen, Bauern, Burnout und ein unschuldiger Nachbar

Hofübergabe:  Wie man den Hof in Frieden loslassen kann

Psychische Belastung in der Landwirtschaft:  Der Schuh drückt und die Beziehung leidet

Mehr Freizeit:  Ja zu welchem Zweck eigentlich?

Neuausrichtung des Hofes u. Investitionen:  «Investiert nicht nur in Stall, sondern auch in eure Vision»    

Rollenaufteilung Mann/Frau:  Die unsichtbare Knopf-Arbeit

Schwiegertochter und Schwiegereltern:  Die Schwiegertochter ist das Problem

Betrieb als einzige Lebenshoffnung:  Ist Arbeit wirklich der Lebenssinn?

Aufräumen und Ordnung:  «Aufräum-Aktion ist lebensverändernd»

Investieren:  Wo auf dem Hof investieren?

Rahmenbedingungen:  Wie kann der Landwirt auch in Zukunft motiviert bleiben?

Fokus setzten:  «Betrieb nicht umkrempeln, sondern Fokus setzen»

Kommentare (8)

Sortieren nach:Likes|Datum
  • Tex Tschurtschenthaler | 12.11.2024
    Für andere kann ich nicht reden. Aber meine Solawi-Erfahrungen habe ich 2010 bis 2021 gesammelt. In jenen 11 Jahren war ich Teil der ehrenamtlichen Betriebsgruppe (Vorstand bzw. Verwaltung der Genossenschaft), auf der Seite der Konsumierenden. In den ersten ca. zwei Jahren haben wir uns mit fast null Ahnung ins Abenteuer gestürzt. Entsprechend haben wir unglaublich viel ehrenamtliche Arbeit geleistet. Ab etwa dem siebten Jahr wurde es fast langweilig, weil alles so rund lief. Aber schon bald hatten wir eine partizipative, selbstverwaltete Biogemüse-Solawi, die in allen Nachhaltigkeits-Aspekten deutlich besser war, als jeder marktorientierte Betrieb. Bioanbau und Biodiversität waren eh selbstverständlich. Die Arbeitsbedingungen waren deutlich besser gestaltet, als es das Arbeitsrecht vorsehen würde (wenn es denn in der Landwirtschaft gelten würde). Finanziell gab es Hochs und Tiefs, aber im Schnitt über die ganzen 11 Jahre die ich mitmachte gab es einen kleinen Gewinn – und dies ohne Almosen oder Geschenke. Die Ressourcen, welche zu all dem hinführen, bestehen in einer konsequenten Partizipation der Mitglieder (es sind tatsächliche Mitglieder, nicht Fake-Mitglieder wie z.B. in gewissen Fitnessclubs etc.). Partizipation heisst in Solawis: mitfinanzieren, mitkonsumieren, mitarbeiten und mitenscheiden. Aber es stimmt schon, es kann misslingen. Vor allem dann, wenn die Partizipation nicht oder nur halbherzig umgesetzt wird.
  • Andreas Willy Rothenbühler Chironico | 08.11.2024
    Am Besten gibt der Schweizer Bauer Frau Eiselen Gelegenheit uns zu zeigen, was Zukunft hat?
    Ich war schon vor über 20 Jahren in Cocagne später auch in Marlioz und andern Projekten. Überall traf ich auf glückliche und gesunde Menschen und gut aussehende Kulturen.
    Was die Zukunft bringt ,kann ich nicht sagen.
    Aber vor dreissig Jahren war ich auf sehr grossen Bauernhöfen, bekannter Rütti Schüler und konnte mir nicht vorstellen, dass die jemals BIO werden.
    Heute werden sie biologisch bewirtschaftet.
    Aber auch das sagt nichts über ihre Zukunft.
  • Tina Siegenthaler | 07.11.2024
    Den Kommentaren vor mir schliesse ich mich an, vor allem Alwin Egger beschreibt die Situation treffend.
    All die Solawi-Betriebe, welche Frau Eiselen beraten und begleiten durfte, haben ja offenbar erkannt, dass sie die Sicht von aussen brauchen und wollen eben genau an ihren Strukturen, Zuständigkeiten, informellen Hierarchien arbeiten. Es wirft nun ein etwas fragwürdiges Licht auf Frau Eiselen, wenn sie diese Erfahrungen nun ziemlich undifferenziert auf alle Solawi-Betriebe ummünzt und sogar noch einen reisserischen Titel über den Text setzt - schon ziemlich unprofessionell, ich würde mich nicht gern an so einen Coach wenden. Viel konstruktiver wäre es gewesen, wenn sie ihre Erkenntnisse als Tipps für Kollektiv- und Solawi-Betriebe formuliert hätte. Es ist erfahrungsgemäss ja tatsächlich ein grosser Prozess, Muster aus unserer gewohnten Arbeits- und Lebenswelt zu durchbrechen und zum Beispiel Hierarchien durch Zuständigkeiten zu ersetzen. Und das tolle an der Solawi ist ja, dass man das eben von der theoretischen Welt in die ganz praktische bringt - und dabei noch gute Lebensmittel produziert. Das Scheitern und das Teilen dieser Erkenntnisse sollte Wertschätzung erfahren und nicht mit solchen negativen Texten schlecht gemacht werden.
  • Daniel Flühmann | 07.11.2024
    Mit diesem Artikel zur Solidarischen Landwirtschaft bin ich gar nicht glücklich. Der Text behandelt diese Art Landwirtschaft zu betreiben nur sehr oberflächlich und ohne konkrete Beispiele. Wie schon andere Kommentare erwähnt haben, ist es ein an vielen Orten seit Jahren oder sogar Jahrzehnten bewährtes Konzept . Es braucht heute unbedingt neue Formen des gemeinsamen Wirtschaftens unter der drohenden und vielerorts schon sehr präsenten Klimakatastrophe, nebst weiteren riesigen Problemen unserer Zeit. Die solidarische Landwirtschaft versucht hier voranzugehen, was logischerweise mit vielen Herausforderungen verbunden ist.
  • Alwin Egger | 04.11.2024
    Der Ha(c)ken liegt wie so oft im Detail:
    Genauso wie bei jedem anderen Betrieb müssen Verantwortlichkeiten und Kompetenzen geklärt und Abläufe strukturiert werden. Dies gelingt nicht immer. Das ist aber kein Solawi spezifisches Problem.
    Ganz im Gegenteil. Die sehr unterschiedlichen Initiativen der Solidarischen Landwirtschaft, die ich in den letzten Jahren begleiten durfte, haben sich deutlich intensiver mit diesen Fragen auseinander gesetzt als so mancher Betrieb, der halt alles so macht wie seit jeher.
    Eine fundierte (und auch kritische) Auseinandersetzung mit den Konzepten der Solawi im Schweizer Bauer fände ich spannend. Die hier formulierte Kritik allerdings ist nicht fundiert, greift viel zu kurz und liegt schlussendlich auch noch daneben.
  • Ramon | 04.11.2024
    Ich arbeite als Fachkraft in einem Solawi-Projekt kaum einen ihrer angesprochenen "Probleme" entsprechen meinen Erfahrungen und sind teilweise auch schlichtwegs falsch. Ich habe sehr wohl die notwendigen Entscheidungskompetenzen, das Anleiten der Mitarbeitenden (entlöhnt während meiner Arbeitszeit) ist mir eine Freude und vorallem eine riesige Arbeitsentlastung.
  • Misch | 04.11.2024
    Ich bin einer Gemüsegenossenschaft mit tausenden Mitgliedern und meines Erachtens ist Solidarlandwirtschaft die einzige Möglichkeit, wenn wir Stadt und Land wieder näher zusammenbringen möchten. Konsum und Produktion gehören nunmal zusammen, Modelle und Menschen dafür gibt es viele.
  • Bettina Dyttrich | 04.11.2024
    Was soll das? Was hier behauptet wird («warum die meisten Projekte der Solidarischen Landwirtschaft zum Scheitern verurteilt sind»), ist schlicht falsch! Dutzende Projekte wie das Radiesli in Worb (das notabene den OGG-Preis gewonnen hat) oder Ortoloco in Dietikon ZH wirtschaften seit über zehn Jahren erfolgreich, in Genf gibt es sogar Les Jardins de Cocagne seit 1978! Nur ganz wenige Projekte haben die Solidarische Landwirtschaft wieder aufgegeben. Es gibt auch schon diverse Studien zum Thema, auch von HAFL-Studierenden. Dieser Text ist oberflächlich, vage und falsch.
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